Im Alter von 70 Jahren überraschend verstorben ist der dienstälteste Stadtrat von Villingen-Schwenningen und ehemalige NPD-Funktionär Jürgen Schützinger aus Schwenningen. Dies teilt jetzt seine Familie mit.

In der Mitteilung seines Sohnes Rolf heißt es, Jürgen Schützinger sei am vergangenen Donnerstag völlig unerwartet verstorben. Erst Anfang Januar hatte der lange Jahre vom Verfassungsschutz beobachtete und als rechtsextrem eingeschätzte Schützinger aus Altersgründen seinen Rückzug aus der Kommunalpolitik angekündigt.

Galionsfigur der Rechten

Jahrzehntelang war Schützinger eine landes- und bundesweite Galionsfigur am rechten Rand des Parteienspektrums und ein Phänomen in der politischen Landschaft von Villingen-Schwenningen.

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Nicht weniger als 44 Jahre lang war er Mitglied im Gemeinderat der Doppelstadt und wurde alle fünf Jahre von einem treuen Stamm von Anhängern wiedergewählt. Zuletzt war er der dienstälteste Stadtrat von Villingen-Schwenningen. Sieben Mal gewählt wurde er auch in den Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises, wo er von 1984 bis 2019 ununterbrochen ein Mandat hatte.

Aus dem Polizeidienst entlassen

Schützinger, am 29. Mai 1953 in Schwenningen geboren, trat nach seinem Schulabschluss der Mittleren Reife 1970 in den Dienst der Polizei des Landes Baden-Württemberg ein. Allerdings wurde er 1982 nach einem vierjährigen Verfahren wegen seiner Aktivitäten für die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) auf der Rechtsgrundlage des sogenannten Radikalenerlasses aus dem Polizeidienst des Landes entlassen.

Viele Jahre war Jürgen Schützinger Landesvorsitzender der NPD.
Viele Jahre war Jürgen Schützinger Landesvorsitzender der NPD. | Bild: privat

Als Jugendlicher, so gab er mehrfach zum Besten, sei er ursprünglich weit links gestanden und habe gegen rechts demonstriert. Später wechselte er die Seiten ins rechtsextreme Lager.

Erfolge auf kommunaler Ebene

Während er sich zweimal vergeblich um ein Landtagsmandat bewarb, feierte Schützinger aber auf kommunalpolitischer Ebene zum Verdruss der demokratischen Parteien immer wieder Erfolge. Villingen-Schwenningen erschien als brauner Fleck auf der politischen Landkarte. Höhepunkt war Anfang der 1990er-Jahre. Damals zog die NPD mit drei Stadträten in den Gemeinderat ein, dazu kamen noch zwei Vertreter der rechten Republikaner.

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Schützinger gelang es damals, ein Bündnis der „Vereinigten Rechten“ schmieden. Doch der politische Pakt aus NPD und Republikanern mit fünf Stadträten hielt nur zwei Jahre, bevor es im Streit auseinander ging. Mehrere Jahre saß auch Schützingers Mutter Liselotte als NPD-Stadträtin gemeinsam mit ihrem Sohn im Gemeinderat.

Stabile Wählerbasis erarbeitet

Die Erfolge der NPD in den 90er-Jahren wurden vor allem mit der hohen Arbeitslosigkeit in Schützingers Wählerbasis, seiner Heimatstadt Schwenningen, erklärt. Durch sein persönliches Engagement in örtlichen Vereinen und für Schwenninger Anliegen gelang es ihm aber, sich über vier Jahrzehnte lang eine stabile Wählerbasis zu erarbeiten.

2011 protestieren rund 200 Aktivisten aus dem linken Spektrum gegen die NPD. Der Schwerpunkt richtete sich gegen den in der Doppelstadt ...
2011 protestieren rund 200 Aktivisten aus dem linken Spektrum gegen die NPD. Der Schwerpunkt richtete sich gegen den in der Doppelstadt wohnenden NPD-Landesvorsitzenden Jürgen Schützinger und das ehemalige Gasthaus Bertholdshöhe, wo NPD-Veranstaltungen und Stammtische stattfanden. | Bild: 201103202223.jpg

Größere inhaltliche Erfolge konnte Schützinger im Gemeinderat und im Kreistag indes nicht feiern. Nach den Wahlerfolgen in den 90er-Jahren war er die vergangenen Jahre wieder politischer Einzelkämpfer. Immer wieder fiel er auf mit Anträgen und Wortbeiträgen, die sich gegen Zuwanderung, Asylbewerber und Ausländer richteten.

Im Gemeinderat ein Außenseiter

Die anderen Ratsfraktionen und -gruppierungen grenzten sich konsequent vom Rechtsaußen Schützinger ab und ließen ihn ins Leere laufen. Im Rat blieb er ein Außenseiter, die meisten seiner Anträge wurden abgelehnt und fanden selten eine Mehrheit.

Schützinger hinterlässt eine Frau und vier Kinder. Während ein Sohn ebenfalls in der NPD aktiv war, unter anderem als Bundestagskandidat 2013 im Bundestagswahlkreis Calw, hat sich ein weiterer Sohn politisch von seinem Elternhaus distanziert und arbeitet seit 2017 bei der Gewerkschaft Verdi als Rechtsberater.