„So schnell sagen wir unsere Fasnet nicht ab.“ Diesen Satz prägte am Dienstag Zunftmeister Anselm Säger. Dahinter steht vor allem Erfahrung mit einem solchen Thema: Als 1991 wegen des Irakkriegs die Narren gestoppt wurden, zogen viele Villinger erst recht los. Schon Goethe wusste: Die Narretei ist nichts, was dem Volk gegeben wird, sondern etwas, was das Volk sich nimmt.“

Die riesige Herausforderung, in Corona-Zeiten mit Abstandsregeln und Mundnasenschutz-Pflicht in öffentlich zugänglichen, aber baulich geschlossenen Räumen ein Brauchtum zu organisieren, mutet derzeit wie der dreifache Gordische Knoten an. Nur ein Beispiel: Wie schunkelt man mit 1,5 Meter Sicherheitsabstand auf Grund der Ansteckungsgefahren? Gar nicht – das gilt derzeit als einzig möglich Lösung.

Die Herausforderung sorgt aber nun für einen schönen Effekt: Villingens Zuggesellschaft bittet erstmalig die Schwenninger mit an den Tisch, um eine gemeinsame Lösung fürs Narrentreiben im Oberzentrum zu erarbeiten. Narro-Chef Anselm Säger offenbarte diese Vorgehensweise am Dienstag im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Fastnachtsmontag ist 2021 am 15. Februar. „Was bis dorthin gilt und bei uns in der Gesellschaft los ist, weiß heute kein Mensch“, bringt Villingens Zunftmeister die Problematik auf den Punkt. Andererseits würden die Narren ihre Großveranstaltungen gerne so früh wie möglich regeln. Bei 30 000 Zuschauern bei einem sonnigen großen Umzug in Villingen ist eine umsichtige Planung auch eigentlich Gebot Nummer eins für eine schlussendlich scheene Fasnet, die alle glückselig durchs Städtle schweben lässt.

„Die Zuggesellschaft will alle Großveranstaltungen regeln“, sagt Anselm Säger. Ziel sei Einigkeit aller Vereine in der Vorgehensweise, vom Fasnetstart am Brunnen bis zum Strohverbrennen zum Aschermittwoch.

Die Freiluftversanstaltungen sind weder das primäre noch das herausfordernste Problem: Was ist den großen Versammlungen zur Fasnet hin? Die Glonkis tagen eigentlich schon am 11.11, später kommen Katzen, Hexen und Narros. Eine Idee bei der Zunft ist laut Säger, die Generalversammlung 2021 statt in der Tonhalle beim Sommerfest im Spitalgarten abzuwickeln. Und der Fastnachtssonntag? Den Kater vor Tausenden aus dem Turm lassen – eigentlich unmöglich. Die Schlüsselübergabe von OB an die Zunft – nur mit Publikum denkbar im Sicherheitsabstand. Und die Fasnetsuche der Glonkis am Abend, wo sich über Zehntausend in Bicken- und Rietstraße ballen? Bei Infektionsgefahr eigentlich unverantwortbar.
Schließlich die Bälle: In die Tonhalle passen aktuell mit Corona-Betrieb laut Hallenmanagerin Katja Hall maximal 150 Personen, bei geschlossener Trennwand nur 120. Damit geraten die Ballabende endgültig zum Drauflege-Geschäft und die Ansteckungsgefahr bei feiernden Menschen in der Halle gilt als kaum kalkulierbar. Mit den kleinen Vereinen planen Glonkis, Hexen, Katzen und Narros an einer gemeinsamen Lösung. „Die muss bis Ende September stehen“, sagt Anselm Säger jetzt. Einige Vereine haben mit den Ballvorbereitungen bereits begonnen, mit dem seltsamen Gefühl, dass der Ball nicht wie gewohnt stattfinden kann. Für eine Open-Air-Lösung ist es zu kalt und deshalb gelten diese großen Abende als Streichkandidaten Nummer eins.
Wie schwierig das Ganze ist, verdeutlicht ein Beispiel aus der Narrozunft. Hier wurde nun die für 9. Oktober geplante Wiedereröffnung der vom Verein gastronomisch betriebenen Zehntscheuer verschoben. Anselm Säger sagt, dies liege nicht ausschließlich daran, dass die bewährten Helfer wegen der Pflicht zum Tragen eines Mundnasenschutzes überwiegend abgewunken hätten. „Es muss ja auch allen Spaß machen“, betont der Zunftmeister und räumt ein, dass auch einige Mitglieder Sorge hätten, weil sie selbst zur Risikogruppe zählten.
Eigentlich, so bestätigt Anselm Säger, war die Zehntscheuer-Eröffnung schon für dieses Jahr wieder auf Grund dieser Umstände abgeblasen. „Wir haben uns jetzt noch einmal umentschieden“, so der Narro-Chef. Auf Ende Oktober soll noch einmal ein Neustart-Versuch gewagt werden. Eines der Probleme dabei wird sein, was alle Gastronomen befürchten: Wie viele gesellige Kunden werden sich zur Coronazeit in eine räumlich abgeschossene Gastwirtschaft setzen?

Dieses Thema macht auch alle Vorfreude auf die Fasnet 2021 so schwierig: Im Häs durch die Stadt springen mit Rollen, Foulard und Säbel – das wird machbar sein, auch ohne Umzug. Aber: Was ist mit Strählen? Was ist mit dem gemeinsamen Feiern und was wird aus so tollen Terminen wie die Kneipenfasnet? Und: Sind Narrostüble nur für Hästräger wenigstens möglich? Entscheidend wird die Fortentwicklung der Pandemie in Zentraleuropa sein. Zum Dienstag meldete Frankreich 23 000 Neuinfektionen seit Freitag. Schon im Frühjahr 2020 wurde offenbar, wie schnell das Virus über den Rhein nach Südbaden gelangt war.