Verborgene Orte, verlassene Häuser, Höhlen oder Stollen, sogenannte Lost Places, zu deutsch verlorene Plätze, faszinieren seit jeher die Menschen. Wer kennt nicht den Wunsch, einmal etwas längst Vergessenes, etwas Unbekanntes oder gar etwas Mysteriöses zu entdecken? Die Neugier ist dabei die treibende Kraft.

Auch in Villingen gibt es so einen Ort, den offenbar nur wenige kennen. Unklar ist auch, ob sogar noch Teile davon existieren. Bei Wikipedia ist folgender Hinweis sinngemäß zu lesen: „1944 wurde mit dem Bau einer großen Stollenanlage unter dem Hubenloch begonnen.“

Luftbild von Villingen. Rechts im Bild ist das Hubenloch als grüner Streifen zu sehen.
Luftbild von Villingen. Rechts im Bild ist das Hubenloch als grüner Streifen zu sehen. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Der Stollen sollte bis zu 2800 Menschen Schutz vor den Fliegerangriffen bieten, was aus einer Baubeschreibung aus dem Stadtarchiv zu entnehmen ist. Fertiggestellt wurde die Anlage aber nie. Drei Gänge mit einer Tiefe zwischen 8 und 40 Metern gab es allerdings schon. So weit hatten russische Kriegsgefangene die Gänge bereits in den Berg treiben müssen. Eine schlimme Zeit war das damals.

Das Höhenprofil für den Hubenloch-Stollen.
Das Höhenprofil für den Hubenloch-Stollen. | Bild: Stadtarchiv VS

Erinnerungen

Einer, der sich an diese Tage noch erinnert, ist Manfred Beichl. Geboren 1940 und aufgewachsen in der Bogengasse, musste er als kleines Kind regelmäßig Schutz im benachbarten Luftschutzraum außerhalb der Stadtmauer suchen. Auch dort stand einst ein Bunker. „Rund vier Meter breit und 20 Meter lang, und etwas in den Boden eingelassen“, erinnert er sich. Die großen Bäume entlang der Stadtmauer belegen noch heute den Verlauf der Grundmauern. Unter der Erde sind immer noch Teile des alten Fundamentes erhalten, so auch am Kaiserring, wie der folgende Artikel erzählt.

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Ein Bild ist dem Villinger bis heute in Erinnerung geblieben. Am 22. Februar 1945 flogen hunderte Bomber einen der schwersten Angriffe auf die Doppelstadt. „Der ganze Himmel war übersät mit Flugzeugen“, so Beichl. Als man die einzelnen Bomben am Himmel erahnen konnte, sei nur noch wenig Zeit geblieben, sich in die Bunker zu flüchten. Im Winter spielten Villinger Kinder gerne auf diesen Hügeln, nutzten sie als Rutsche.

Manfred Beichl steht an der Stelle, wo bis in die 50er Jahre noch der alte Luftschutzbunker außerhalb der Stadtmauer nahe der Bogengasse ...
Manfred Beichl steht an der Stelle, wo bis in die 50er Jahre noch der alte Luftschutzbunker außerhalb der Stadtmauer nahe der Bogengasse stand. Das Fundament der Anlage schlummert dort immer noch unter der Erde. Die Baumreihe rechts säumte schon damals das Bauwerk. | Bild: Fröhlich, Jens

Nicht weit vom Bunker am Ausgang der Bogengasse entfernt, entstand im Jahr 1944 eine weitere Luftschutzanlage unter dem Villinger Hubenloch, da die vorhandenen Räume kaum ausreichten und sich die Luftangriffe häuften. „Mein Bruder und andere Kinder haben den Gefangenen durch die Lüftungsschächte immer Kleinigkeiten zum Essen an Schnüren hinunter gelassen, zum Beispiel Kartoffeln“, erinnert sich Beichl. Die Gefangenen bedankten sich mit kleinen Basteleien aus dem Wenigen, was ihnen in den Stollen zur Verfügung stand.

Diesen Aschenbecher haben russische Kriegsgefangenen gebastelt. Den hat Manfred Beichl bis heute aufbewahrt.
Diesen Aschenbecher haben russische Kriegsgefangenen gebastelt. Den hat Manfred Beichl bis heute aufbewahrt. | Bild: Wolfgang Beichl

Stollenbau unter dem Hubenloch

Nach den im Stadtarchiv vorliegenden Bauplänen, sollte hier eine gewaltige Anlage entstehen, die bis zu 2800 Menschen Schutz bieten sollte. Natürlich war sie auch als Unterschlupf und Steuerzentrale für die Nazi-Führung gedacht. Einem weiteren Dokument zufolge mussten 32 russische Gefangene aus dem Villinger Gefangenenlager Stalag die mühsame Arbeit verrichten.

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280.000 Reichsmark waren als Kosten für den Bau einkalkuliert.

Veranschlagte Kosten und der Bedarf an Kriegsgefangenen für den Stollenbau.
Veranschlagte Kosten und der Bedarf an Kriegsgefangenen für den Stollenbau. | Bild: Stadtarchiv VS

Drei Stollenzugänge am Hang auf der Seite des Romäusrings waren vorgesehen. Einer hinter dem Theater am Ring, einer auf Höhe der Romäusturmes, einer dazwischen. In einer weiteren Ausbaustufe sollten weitere Zugänge entlang der Hindenburg Straße geschaffen werden. Den genauen Plan können Sie sich hier anschauen. Die gestrichelten, dünnen Linien symbolisieren die zweite Ausbaustufe. Es waren Schleusen, Toiletten, Sanitär-, Aufenthalts- und Maschinenräume vorgesehen. Die gesamte Anlage sollte sich vom Romäusring bis zur heutigen Kalkofenstraße erstrecken.

Der Bauplan für den Hubenloch-Stollen.
Der Bauplan für den Hubenloch-Stollen. | Bild: Stadtarchiv VS

Baufortschritt

Hermann Riedel schreibt in seinem Buch „Villingen 1945 – Bericht aus einer schweren Zeit“, dass bis zur Besetzung der Stadt der erste, nördliche Stolleneingang eine Tiefe von rund 40 Metern, der zweite rund acht Meter und der dritte 20 Meter erreicht hatte. In einem Aktenvermerk des Stadtbauamtes aus dem Jahr 1966 ist zu lesen, dass ein Stollen auf einer Länge von 25 Metern ausbetoniert war, weitere 20 Meter waren bereits aus dem Muschelkalk herausgesprengt worden. Und am Ende dieses Ganges hatten Zwangsarbeiter schon einen zehn Meter langen Querstollen gegraben. Laut Riedel bot die Anlage zum Ende des Krieges bereits für 280 Menschen Schutz vor Bomben.

So sahen sollten die großen Eingangstore vom Romäusring her aussehen.
So sahen sollten die großen Eingangstore vom Romäusring her aussehen. | Bild: Stadtarchiv VS

Rückbau

Nach dem Krieg wurden die Stollen mit Türen verschlossen. Den Akten aus dem Jahr 1966 ist zu entnehmen, dass zwei Zugänge zusätzlich verfüllt wurden. vier Jahre später geht es um die erneute Absicherung der Zugänge, da sich das Füllmaterial gesetzt hatte und die Hohlräume so teils wieder zugänglich wurden. Bei den Zugängen am Hang herrschte aufgrund der Bauhöhe zudem Absturzgefahr. 1970 sollte daher das Gelände und zwei der Stollen erneut gesichert werden. Auf den dritten rund 25 Meter tiefen Stollen hinter dem Theater am Ring, auf dem ehemaligen Werkshofgelände, ist ebenfalls ein letzter Hinweis zu finden. Dem Gutachten von 1970 zufolge sei der Eingang ausreichend durch eine Türe gesichert. Der Schlüssel befinde sich im Besitz des städtischen Tiefbauamtes. Was danach geschah, ist der Redaktion bislang nicht bekannt. Es könnte also durchaus noch ein Teil des Stollens existieren.

Jägerhaus

Spekulationen, dass die Gänge bereits bis zum Jägerhaus reichten, wo sich bis heute zwei alte Lagerkeller tief unter der Erde befinden, darauf konnte der SÜDKURIER keine Hinweise finden.

Bild 8: Wussten Sie, dass die Nazis unter dem Villinger Hubenloch einen riesigen Stollen graben ließen?
Bild: Stadtarchiv VS

Bei einem Vor-Ort-Termin im Jägerhaus in den konstant neuen Grad kühlen Kellerräumen durfte sich der SÜDKURIER selbst ein Bild machen.

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Abstieg in den ehemaligen Luftschutzkeller Video: Fröhlich, Jens

Weder im Boden noch im Mauerwerk waren dabei Stellen erkennbar, die auf einen Durchbruch zum Hubenloch-System hindeuten. Ursula Tschoche, deren Familie seit fast 100 Jahren im Besitz des 200 Jahre alten Anwesens ist, weiß ebenfalls nichts von einem Durchgang. Sie berichtet allerdings, dass die beiden Gewölbekeller während des Krieges zum Schutzquartier für Polizei und Landratsamt sowie zum Luftschutzbunker umfunktioniert wurden.

Dies ist der linke von zwei Gewölbekellern unter dem Jägerhaus an der Kalkofenstraße, früher Hindenburgstraße. Laut den ...
Dies ist der linke von zwei Gewölbekellern unter dem Jägerhaus an der Kalkofenstraße, früher Hindenburgstraße. Laut den Hubenloch-Bauplänen war hier ein Anschluss an das Stollensystem im hinteren, linken Teil dieses Raumes vorgesehen. Dort sind allerdings keine Spuren erkennbar. Der Durchgang rechts führt in den benachbarten Kellerraum. | Bild: Fröhlich, Jens

Hintergrund

Weil es in Villingen wegen des hohen Grundwasserspiegels kaum unterkellerte Gebäude gab, die Schutz vor Bomben boten, wurden alle geeigneten, vorhandenen Räume und Keller von den Machthabern als Zufluchtsort deklariert. Teilweise wurden Bunker und Schutzgräben neu gebaut. Gegen Ende des Krieges nahmen Angriffe aus der Luft zu, der Platz in vorhandenen Räumen war begrenzt. Laut Riedel gab es damals insgesamt 34 Schutzanlagen, die zusammen 3481 Menschen aufnehmen konnten. Zu wenig, daher wurde im Rahmen des Führerprogramms die neue Stollenanlage in Angriff genommen.

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Weitere Infos gesucht

Dem SÜDKURIER liegen zahlreiche Dokumente zum Bau und dem Rückbau aus dem Stadtarchiv vor und weitere mögliche Informationsquellen werden gerade noch überprüft. Detaillierte Hinweise zum Rückbau, oder gar Bilder zu den Stollen kamen bei der Recherche bislang nicht zutage. Vielleicht können auch Sie uns weiterhelfen. Schlummern in Ihren Bildarchiven noch Motive von der Anlage? Erinnern Sie sich vielleicht an weitere Details? Dann schicken Sie uns Ihre Informationen und Bilder per Email an: villingen.redaktion@suedkurier.de.

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Weitere Bilder zum Jägerhaus

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Vom Hubenloch aus erkennt man den hinteren Teil des Jägerhauses. | Bild: Fröhlich, Jens
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Über diese Stufen geht es tief hinunter in die Gewölbekeller unter dem Jägerhaus. Dort unten herrscht eine konstante Temperatur von neun Grad. | Bild: Fröhlich, Jens
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Blick in den zweiten Kellerraum unter dem Jägerhaus. Hier ist ein riesiger Öltank untergebracht. Beide Räume wurde lange als Lager des Getränkehandels Zschoche genutzt. | Bild: Fröhlich, Jens