Jawin Schell

Fußball, Bezirksliga: Zwölf Spiele Sperre für den angeblichen Verursacher, Geldstrafen im dreistelligen Bereich gegen beide Vereine, eine Partie mit zwei Verlierern – so lautete das Urteil des Sportgerichts des Bezirks Bodensee im Fall des Spielabbruchs am 3. November bei der Partie SC Konstanz-Wollmatingen gegen FC Anadolu Radolfzell. Ein Richterspruch, der in der Bezirksliga Bodensee für Diskussionen sorgt. Nicht alle Trainer und Funktionäre sind mit dem Strafmaß einverstanden.

„Aus meiner Sicht hat sich der Verband extrem unter Druck setzen lassen. Anstatt ein Zeichen zu setzen, das zur Abschreckung dienen sollte, ist das gefällte Urteil fast schon lächerlich“, bemängelt etwa Eddy Wiedenmaier, Trainer des SV Mühlhausen. „Beiden Vereinen ist groß nichts passiert. Das Spiel als verloren zu werten, ist ja in Ordnung, aber einen Spieler für zwölf Spiele zu sperren, der eine Woche später dann schon den Klub wechselt, hat null Auswirkungen auf die Vereine“, führt er seine Überlegungen aus. „Wer soll daraus lernen? Wo ist der Effekt dieses Urteils?“ Die Geldstrafen empfindet er nicht als sonderlich zielführend. „Bei den Summen, die in dieser Liga fließen, ist das sicher kein richtiges Mittel“, glaubt Wiedenmaier. „Eine empfindliche Strafe mit Punktabzug für beide Vereine wäre die richtige Lösung gewesen, damit so etwas nicht mehr passiert.“

Derselben Meinung ist auch sein Trainerkollege Alessandro Paolantonio vom FC Öhningen-Gaienhofen. „Meiner Meinung nach ist das Urteil viel zu milde“, stimmt er Wiedenmaier zu. „Es kann nicht sein, dass gewalttätige Handlungen, die zu einem Spielabbruch führen, völlig ungeahndet bleiben“, stellt Paolantonio klar. „Welches Bild wird denn hier von unserem Sport vermittelt? Was lernen andere aus diesem Urteil? Wir haben auch Vorbildfunktion.“ Der Trainer der Höri-Elf nimmt auch den Unparteiischen in die Pflicht. „Die Tatsache, dass ein Schiedsrichter zu solch einem Vorfall keine Meldung machen kann, weil er nichts gesehen hat, ist schon verwunderlich“, meint Paolantonio.

Beim Hegauer FV findet man eher das Verhalten der beiden sanktionierten Vereine problematisch. „Das Sportgericht hat ein objektives Urteil gesprochen und richtigerweise beiden Teams die Punkte aberkannt. Am Spielabbruch haben beide Seiten ihre Schuld, und es ist respektlos gegenüber der Sportgerichtsbarkeit und dem Fairplay im Allgemeinen, wenn jetzt die Punkte über Berufung oder Einspruch eingesackt werden sollen“, machen der sportliche Leiter, Michael Rösch, und das Trainerteam Ronny Warnick und Lars Kohler deutlich. „Die Opferrolle einzunehmen, ist hier völlig fehl am Platz und das ärgert viele Vereine zurecht. Man muss ein Urteil, das zudem wohl noch recht moderat ausgefallen ist, einfach auch mal akzeptieren. Das hat am Ende etwas mit Respekt, Glaubwürdigkeit und Größe zu tun.“

Rudi Endres, Pressesprecher beim SC Gottmadingen-Bietingen, hatte aufgrund seines reichen persönlichen Erfahrungsschatzes mit einem derartigen Urteil gerechnet. „Wer die einfach gestrickte Rechtsprechung des südbadischen Fußballverbandes kennt, konnte kein anderes Urteil erwarten“, betont er. „Entscheidend war schon immer, was der Schiedsrichter in seinen Bericht schreibt – oder in diesem Fall nicht schreibt. Ich war in den letzten 40 Jahren auch nicht immer begeistert, fühlte mich aber immer fair behandelt. Eine bessere Lösung, als zur Urteilsfindung auf den Schiedsrichter zu vertrauen, habe ich auch nicht gefunden. Bei aller versuchten Neutralität – es gibt immer einen vereinsgefärbten Blickwinkel.“

Rolf Blum, Sportlicher Leiter bei der SG Reichenau/Waldsiedlung, sagt: „Als Außenstehender ist es schwer, ein Urteil zu bewerten, wenn man nicht vor Ort war.“ Dennoch hat auch er Zweifel an der Angemessenheit des Richterspruchs. „Wenn solch eine Gewaltentwicklung vorhanden war, ist es äußerst fragwürdig, wenn nur ein Spieler dafür verantwortlich gemacht wurde“, so Blum. Er prangert die aktuellen Missstände innerhalb der Liga an. „Es kommt auch in unseren Spielen immer wieder zu Gewaltandrohungen – in diesem Falle ist es leider eskaliert“, sagt Blum. „In solchen Fällen sollte härter durchgegriffen werden.“