Den 16. September 2015 werden Oliver Preiser und seine damaligen Kollegen im Vorstand des FC Radolfzell wohl so schnell nicht vergessen. Denn in den frühen Morgenstunden dieses Tages stand die Zollfahndung vor den Wohnungen, die dann, ebenso wie die Geschäftsstelle, durchsucht wurden. „Das war fast wie im Film“, blickt Preiser, damals 1. Vorsitzender des FC Radolfzell, heute Club-Präsident, zurück. „Man fühlt sich wie ein Schwerverbrecher, man fühlt sich auch schuldig“, beschreibt er seine damaligen Eindrücke.
Die Zollfahnder wurden schnell fündig
Die Zollfahnder hatten es vor allem auf die Abrechnungen mit den Spielern beim Verbandsligisten abgesehen und wurden auch fündig. „Natürlich haben wir Fehler gemacht, aber bei 90 Prozent der Fehler wussten wir gar nicht, dass das falsch war!“, fasst der 49-jährige Versicherungskaufmann zusammen.
So wurde genau auf die Lohnabrechnungen der Spieler geschaut, aber auch auf die Abrechnungen des Kilometergeldes. Bei solchen Gelegenheiten schauen die Experten vom Zoll gerne auf so genannte geldwerte Vorteile wie etwa ein Firmenauto eines Mäzens oder die Nutzung einer Wohnung. Gerne wird auch versucht, durch die Abrechnung des Übungsleiterfreibetrags das Spielersalär unter die Mini-Job-Grenze von 450 Euro zu senken – selbst wenn der betreffende Spieer nie an einem Jugendtraining mitgewirkt hat.
Tückische Versteuerung
Das Tückische, das auch der Radolfzeller Vorstandschaft fast zum Verhängnis wurde: Die Versteuerung im Vereinsumfeld ist deutlich komplexer als bei einem Betrieb, doch Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, wie Preiser heute weiß. So ist etwa die Anreise der Spieler zum Training anders steuerlich zu behandeln als die Anreise zum Spiel. Jede einzelne Monatsabrechung eines Spielers war ein Tatbestand, sodass es bei vielen Spielen über mehrere Jahre für Preiser als 1. Vorsitzenden um stattliche 120 Tatbestände gegangen ist.
„Ich wäre vorbestraft gewesen – beruflich eine Katastrophe!“, fasst Preiser seine damalige, aus ehrenamtlichem Engagement erwachsene Lage zusammen. Mit einem Rechtsexperten konnte das Schlimmste zwar durch eine außergerichtliche Einigung abgewendet werden, doch mit 90 Tagessätzen und den Anwaltskosten kamen für Preiser und zwei seiner Vorstandkollegen jeweils Kosten von 18.000 Euro zusammen. Daher empfiehlt er auch aus eigener, teuer gemachter Erfahrung, allen Vereinsfunktionären eine D&O-Versicherung (Vermögensschadensversicherung für Vereinsvorsitzende) sowie einen Spezial-Strafrechtschutz.
Hilfe aus dem Breisgau
Und auch menschlich erlebte er ein Tief. „Wenn man angeklagt wird, dann hat man keine Freunde mehr“, lautet sein bitteres Fazit. Nachfragen beim Verband wurden abgebügelt, auch im privaten Umfeld wendeten sich viele ab, doch er erinnert sich: „Hilfe hat mir nur unser Kooperationspartner SC Freiburg angeboten.“
Zwar ging der Fall des FC Radolfzell, ebenso wie zuvor der des FC Singen 04, oder, nahezu zeitgleich, der des 1. FC Rielasingen-Arlen durch die Medien, dennoch stellt Preiser heute fest: „Viele Vereine haben angefragt, was da schief gelaufen ist. Aber wenn man sich heute umschaut, dann machen die meisten einfach so weiter.“ Mit „so weiter“ meint er das Gebaren, mit üppigen Zahlungen Spieler zu ködern. Und das nicht nur in den höheren Ligen, sondern bis hinab in die Kreisliga A.
Lieber den Abstieg in Kauf nehmen
Und wie geht man beim Verbandsligisten nun vor, um nicht noch einmal in solch eine Situation zu kommen? „Das ist ganz einfach! Bei uns gibt es keine Auflauf- und Punkteprämie mehr, sondern maximal die zulässige Aufwandsentschädigung von 200 Euro pro Monat. Und dann konzentrieren wir uns auf die Jugendarbeit – im Zweifelsfall nehmen wir auch den Abstieg in die Landesliga in Kauf, dann gibt es auch wieder mehr Derbys!“
Wäre es nicht möglich, die gut ausgebildeten Talente mit Verträgen an den Verein zu binden? „Vertragsamateure können und wollen wir uns nicht leisten“, sagt Preiser, obwohl er erkennen muss: „Das ist ärgerlich, denn die guten Spieler werden dann abgeworben und unsere gute Jugendarbeit wird damit nicht belohnt.“
Aber die Zollfahndung will er eben doch nicht erneut im Hause haben.