Handball: Es gibt zahllose Geschichten über das spezielle Verhältnis von Zwillingen. Auf diese legendäre unsichtbare Verbindung angesprochen, grinsen Maxim und Nikita Pliuto nur. „Ich habe mir neulich ein Band gerissen“, sagt Maxim und zeigt auf den bandagierten linken Knöchel. Hast du das gespürt?“ „Ne“, erwidert sein eine Minute älterer Bruder Nikita, „zum Glück nicht.“
Auf den ersten Blick könnten die beiden 24-Jährigen kaum unterschiedlicher sein. Hier der blonde Linksaußen Maxim, 1,84 Meter groß und 84 Kilogramm schwer, dort der dunkelhaarige Kreisläufer Nikita, der zwölf Zentimeter größer ist und knapp 30 Kilogramm mehr auf die Waage bringt. Die spezielle Verbindung der zweieiigen Brüder ist nichts Übernatürliches, es ist der Sport, genauer: der Handball. Der hat die beiden Ostfriesen, die einst im Leistungszentrum des Bundesligisten MT Melsungen lebten, ehe sich ihre Wege trennten, in diesem Sommer beim Zweitliga-Aufsteiger HSG Konstanz wieder zusammengeführt. „Wir wissen, was wir aneinander haben“, sagt Maxim, der bereits seit dem vergangenen Sommer am Bodensee lebt und sich dort inzwischen „super wohlfühlt“, wie er selbst sagt.
Kein leichtes Jahr
Dabei war das erste Jahr in Südbaden kein leichtes für den Norddeutschen. „Die letzte Saison war eine mit Höhen und Tiefen“, sagt er. Sportlich lief es rund für die HSG, die den direkten Wiederaufstieg in Liga zwei schaffte. Maxim Pliuto persönlich hatte es jedoch schwer in einem Team mit drei Spielern auf seiner Position. „Als ich spielen durfte, habe ich meine Sache aber ordentlich gemacht“, sagt der gelernte Industriekaufmann. „Ich merke, dass ich jetzt viel selbstbewusster bin und mehr Verantwortung habe“, fährt er fort. Er habe in den vergangenen zwölf Monaten viele neue Freunde gefunden. „Aktuell macht es deutlich mehr Spaß“, sagt Maxim Pliuto, die ersten Monate im neuen Umfeld seien eben schwer gewesen. „Ich war das erste Mal so weit weg, dass man nicht mal für ein Wochenende nach Hause fahren kann.“
Noch zuhause in Aurich
Nun leben die Pliutos immer noch knapp 900 Kilometer entfernt vom Dorf Marienhafe in der Samtgemeinde Brookmerland im Landkreis Aurich, wo sie aufgewachsen sind, doch „es macht es einfacher, wenn man bei zehn Stunden Fahrt zu zweit unterwegs ist“, sagt Maxim. Und Nikita ergänzt: „Unsere Eltern müssen jetzt auch nicht mehr an zwei Orte fahren, um uns zu besuchen.“ Kurzum: Dass die Brüder nun das gleiche Trikot tragen, war nicht ausschlaggebend für seinen Wechsel nach Konstanz, „aber es verbessert das ganze Paket“, sagt Nikita Pliuto weiter, der vor knapp zwei Monaten von der HSG Wetzlar kam. Für die Hessen bestritt der belarussische A-Nationalspieler 18 Erstligapartien (12 Tore), kam aber hauptsächlich mit Zweifachspielrecht beim Drittligisten TuS Ferndorf zum Einsatz. „Mit seinem Körper bekommen wir einen super Kreisläufer für die Offensive sowie einen wichtigen Anker für den Innenblock“, sagt HSG-Geschäftsführer André Melchert über seine Neuverpflichtung.
„Vom Wasser zum Wasser“, zog es die beiden Brüder, wie Linksaußen Maxim lachend sagt, von der Nordsee an den Bodensee. Die besondere Lebensqualität an der Schweizer Grenze hat auch sein Bruder in kurzer Zeit schätzen gelernt. Maxim habe ihm bei einem Besuch Konstanz und den Verein gezeigt. „Da hat mich beeindruckt, wie professionell bei der HSG gearbeitet wird und wie schön die Stadt ist“, sagt Nikita. „Als Handballer sind zwar andere Sachen wichtiger, irgendwann kommt aber auch die Region ins Spiel, und da ist es umso besser, wenn sie schön ist.“
Schön wäre es auch, wenn die Ostfriesen-Zwillinge das große Ziel Klassenerhalt in der starken 2. Bundesliga mit der HSG erreichen würden. „Aber wenn man drinbleibt, heißt das ja nicht, dass man als Drittletzter drinbleiben will. Vielleicht landen wir auch ein bisschen weiter vorne“, sagt Kreisläufer Nikita, der helfen will, das Konstanzer Image der Fahrstuhlmannschaft zwischen zweiter und dritter Liga zu korrigieren.
Wechselhafte Vorbereitung
Die Vorbereitung auf die am Sonntag, 17 Uhr, mit einem Auswärtsspiel bei der HSG Nordhorn-Lingen beginnende Saison sei „wechselhaft“ verlaufen, sagt Maxim Pliuto. „Ich fand das Pokalspiel gegen Dresden sehr gut. Wir haben bis zu 50. Minute gut mitgehalten. Die Abwehr stand mit dem Torhüter, wir haben wenig Fehler im Angriff gemacht.“ Am Anfang der Trainingsphase sei etwas der Wurm drin gewesen, ergänzt sein Bruder. „Wir haben viele neue Leute auf wichtigen Positionen dazubekommen“, sagt Nikita Pliuto, der von Maxim als „Abwehrmonster“ bezeichnet wird. „Wir haben es besser unter Kontrolle bekommen, es ist aber noch Luft nach oben.“
Rund um das Auftaktspiel der HSG Konstanz
- Das Spiel: HSG Nordhorn-Lingen – HSG Konstanz (Sonntag, 17 Uhr). – Mit viel Mut und Entschlossenheit fahren die Konstanzer bereits am Samstag Richtung Lingen, wo man in der Nähe ein Hotel beziehen wird. Der über 50 Minuten sehr ordentliche Auftritt im DHB-Pokal gegen Aufstiegskandidat Elbflorenz Dresden (30:35), der wenige Tage später auch bei Erstligist HC Erlangen siegreich war, dürfte weiter dazu beigetragen haben, nicht in Ehrfurcht vor den großen Namen im Bundesliga-Unterhaus zu erstarren. Auch wenn um die Rolle des Favoriten nicht lange diskutiert werden muss – große Gegenwehr ist vom Aufsteiger auf jeden Fall zu erwarten.
- Der Gegner: Die HSG Nordhorn-Lingen hat einen großen Wechsel mit sieben neuen Spielern vollzogen, die Mannschaft deutlich verjüngt, in Mark Bult von der SG Flensburg-Handewitt einen neuen Trainer beikommen und das Spielsystem deutlich verändert. Viel schneller spielt die HSG Nordhorn-Lingen nun, die zuvor traditionell vor allem auf eine starke Defensive mit guten Torhütern gesetzt hatte. Jetzt wirkt auch das Offensivspiel deutlich dynamischer. Mit Kristian van der Merwe (HSC Coburg) kam ein Top-Torwart neu hinzu, außerdem der Bruder von Ex-HSG-Spieler Felix Jaeger, Max Jaeger (HSC 2000 Coburg), Mika Sajenev (SC DHfK Leipzig/EHV Aue), Frieder Bandlow (TV Großwallstadt), mit Björn Zintel ein Top-Spielmacher (ASV Hamm-Westfalen), Elmar Erlingsson (IB Vestmannaeyja/Island) und Elias Ruddat (TuS Vinnhorst).
- Das meint der Konstanzer Trainer: HSG-Coach Vitor Baricelli blickt zufrieden auf die Vorbereitung zurück. „Wir sind bereit und wollen endlich loslegen“, freut sich der jüngste Trainer im deutschen Profihandball. „Wir haben gezeigt“, sagt er, „dass wir auch gegen ein Topteam ein gutes Spiel machen können.“ In den nächsten Wochen sollen daraus auch die eine oder andere Überraschung und Punkte werden. Wie bei allen Mannschaften steht nach einem gewissen Umbruch auf zentralen Positionen noch die Abstimmung im Fokus. „Das wird ein schweres Spiel“, weiß der HSG-Coach. „Wir treffen auf eine top besetzte Mannschaft, die ein sehr hohes Tempo anschlägt.“ Bis auf die Langzeitverletzten Mathieu Fenyö und Finn Klein (beide Kreuzbandriss) gibt es keine Verletzungen zu beklagen.
- Hier kann man die Spiele sehen: Alle Spiele der 1. und 2. Bundesliga werden auf Dyn übertragen. In der 2. Bundesliga bieten die Übertragungen vier Kameraperspektiven und die Übertragung der Auszeiten via Tonangel. Im Jahresabo beträgt der monatliche Beitrag 11,50 Euro, im Monatsabo 14,50 Euro pro Monat. (joa)