Um es mal mit den Spielern der HSG Konstanz zu sagen: Was für ein geiler Sonntag! Nach einer schlimmen Startphase (0:3, 2:5, 3:6) kriegt die Mannschaft von Trainer Jörg Lützelberger in dessen letztem Spiel als Coach bald die Kurve und steht nach 60 Minuten als verdienter Sieger und Aufsteiger in die 2. Handball-Bundesliga fest.

Selbst eine kritische Situation nach 50 Minuten, als Eintracht Hildesheim beim Stand von 27:25 ein Füßchen in der Aufstiegstüre hatte, meistert das HSG-Team mit kühlem Kopf und macht nach einer Auszeit schnell alles klar. Es ist eine tolle Mannschaftsleistung, und doch gab es besondere Geschichten mit besonderen Akzente. Die Gratulation geht an alle, die den Aufstieg geschafft haben, auch wenn sie in den folgenden kleinen Kapiteln nicht erwähnt werden. Einer zumindest hätte gerne darauf verzichtet.

Fynn for fun

Elf Würfe, elf Tore. In beiden Finalspielen gegen Hildesheim zusammen 20 Treffer. Trainer Jörg Lützelberger war hin und weg von Fynn Beckmann (siehe Interview rechts) – in einem Wort: „herausragend“. Eine besondere Freude empfand Lützelberger auch deshalb, weil der 29-jährige Linkshänder in den drei Jahren gemeinsamer Zusammenarbeit „Dämonen abgelegt hat“ (Lützelberger). Näher ging der Coach nicht darauf ein, dafür gab Beckmann Auskunft.

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Zum einen überwand er Ängste an Orten zu spielen, an denen er sich in der Vergangenheit schwer verletzt hatte. Zum anderen hatte sich im Hause Beckmann ein angespanntes Verhältnis zwischen Vater und Sohn ergeben, „weil mir der Papa in der Jugend das Zeug zum Bundesligaspieler nicht zutraute“. Zuletzt gab es die Aussprache und Vater Beckmann in der Schänzlehalle. „Für mich als Gefühlsmensch war das sehr wichtig“, sagt Fynn Beckmann. Damit im Reinen und mit der ewigen Erinnerung an die Glanzleistungen gegen Hildesheim sagt er der HSG Konstanz als Spieler Adieu. „Mir sind alle ans Herz gewachsen“, sagt Beckmann, „und ich denen wohl auch.“

Ass mit Pech

VIP-Bereich der HSG Konstanz in der Schänzlehalle, später Sonntagabend. Die besonderen Gäste der HSG, allesamt auf welche Art auch immer Unterstützer des Vereins, sind längst gegangen, die Hauptakteure sind, wie zuvor auf dem Spielfeld, die Handballer um Kapitän Michel Stotz. Plötzlich kommt Mathieu Fenyö in den Raum, eine dicke Bandage um den rechten Arm, der zudem von einer Schlinge gehalten wird

Der am Arm verletzte Mathieu Fenyö (links) wurde bei der Rückkehr aus dem Krankenhaus bejubelt, hier von Fynn Beckmann.
Der am Arm verletzte Mathieu Fenyö (links) wurde bei der Rückkehr aus dem Krankenhaus bejubelt, hier von Fynn Beckmann. | Bild: Michael Elser

Augenblicklich ist der Teufel los, die Mannschaftskollegen begrüßen ihren Jungspund stehend mit Beifall und Jubelrufen. Der 19-Jährige wird dann der Reihe nach geherzt. Die Botschaft, die er mitbringt, ist freilich nicht so gut. Erst MRT, vermutlich bald Operation, denn im Arm, auf den nach 16 Minuten des Spiels bei einem Zweikampf der Hildesheimer Petar Juric gestürzt war, sind alle Bänder gerissen. Mathieu Fenyö hat ein Lächeln im Gesicht. Toi, toi, toi.

Einer bringt‘s vom Punkt

Nerven aus Stahl? Kalt wie ein Eisberg? Lukas Köder kann mit der Frage, wie man es fertig bringt, nahezu jeden Siebenmeter zu verwandeln, wenig anfangen. Mal links, mal rechts, mal oben, mal unten, gerne auch mal mit leichter Hand gezwirbelt oder, wie gegen Hildesheim, durch die Beine des Torhüters – „Intuition“, sagt Köder, ein Stück weit sicher auch die Routine des Spezialisten.

Siebenmeter-Ass Lukas Köder (links) ist nach dem Aufstieg außer Rand und Band vor Freude und greift sich Tom Göres.
Siebenmeter-Ass Lukas Köder (links) ist nach dem Aufstieg außer Rand und Band vor Freude und greift sich Tom Göres. | Bild: Michael Elser

Im Aufstiegsfinale war die Treffsicherheit von Bedeutung. Fünf Strafwürfe gab es für die HSG Konstanz, alle fünf münzte Lukas Köder in Tore um. „Er ist vom Punkt eine absolute Bank“, lobte Samuel Wendel, „das gibt der Mannschaft Sicherheit.“ Übrigens: Auch Hildesheim bekam fünf Siebenmeter, Lothar von Hermanni brachte aber nur vier ins Ziel, weil ihm HSG-Torwart Janis Boieck einen abwehrte.

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Der Hexer in der Hölle

So spielt das Sportlerleben. 2022 kam Janis Boieck zur HSG und erhielt einen Zweijahresvertrag. Anderthalb von diesen zwei Jahren war der Torwart wegen schwerer Verletzung außer Gefecht. Und jetzt, als er wieder mitmischen kann, war längst klar, dass sich die Wege trennen. Drei Torhüter ist einer zu viel, das weiß auch Boieck. Umso schöner für ihn und die HSG, dass er noch maßgeblich zum Aufstieg in die 2. Bundesliga beitragen konnte.

Freude pur: HSG-Torhüter Janis Boieck zog den Hildesheimer Schützen mit elf Paraden den Zahn.
Freude pur: HSG-Torhüter Janis Boieck zog den Hildesheimer Schützen mit elf Paraden den Zahn. | Bild: Christian Elbe

Schon im Heimspiel gegen Krefeld war Boieck stark, nun entnervte er im Hexenkessel der Schänzlehölle mit elf Paraden reihenweise Hildesheimer Werfer. So etwa die Scharfschützen aus dem Hinspiel, Jakub Tonar und Matteo Ehlers. Die beiden hatten beim 38:35 in Hildesheim zusammen 21 Tore erzielt, in Konstanz gerade mal noch drei. Janis Boieck war ein glücklicher Mensch am Sonntagabend. Wenn er nächste Saison das Tor hütet für den Drittligisten Oppenweiler/Backnang wird er etwas Besonderes mitnehmen. Vor einigen Tagen wurde er Papa – und im Pass seines Töchterleins steht: Geburtsort Konstanz!