Fußball: „Du kennst ihn! Schau in ein Buch über die WM 74 und Du findest ihn!“, antwortete Manuel Klökler, damals Spieler beim Verbandsligisten FC Singen 04, im Frühjahr 1995 auf die Frage des neugierigen Journalisten, wer denn nun neuer Trainer beim Traditionsclub vom Hohentwiel werden soll. Mehr durfte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Wenige Tage später herrschte dann großer Medienandrang im Singener Hotel Lamm. Es hatte sich herumgesprochen, wer in der Saison 1995/96 die Blau-Gelben coachen wird.
Duell gegen Sepp Maier
Und Klökler hatte Recht. WM-Finale 1974 in München! Eine Szene, die sich ins Gedächtnis der Fußballfans in den Niederlanden und Deutschland festgebrannt hat: Das Endspiel, in dem Deutschland gegen das niederländische Team um Superstar Johan Cruyff Außenseiter war, lief gerade ein paar Sekunden, als Uli Hoeneß den niederländischen Regisseur an der Strafraumgrenze von den Beinen holte – Strafstoß. Eine Sache für Cruyffs langjährigen kongenialen Partner – ob bei Ajax Amsterdam, beim FC Barcelona oder eben in der Nationalmannschaft – Johan Neeskens. Der damals 22-Jährige mit dem harten Schuss lief an und hämmerte das Leder humorlos in die Mitte des Tores. DFB-Keeper Sepp Maier hatte auf seine rechte Torecke gezockt, der hart geschossene Ball landete nicht im Netz, er war so scharf geschossen, dass er vom Netz wie an einer Wand abprallte – 1:0 für die Niederländer. Es schien den erwarteten Weg zu gehen, die „fliegenden Holländer“, die mit der Aura von Pop-Stars und dem „Football total“ mit Ajax Amsterdam gerade drei Mal den Europapokal der Landesmeister gewonnen hatten, würden sich auch den WM-Titel nicht mehr nehmen lassen. Und im Mittelpunkt dieses Starensembles das Duo Johan & Johan, Cruyff und Neeskens. Filigraner Techniker der eine, zweikampfstarker Offensivspieler mit Drang zum Tor der andere.
Zwei verlorene Endspiele
Doch die Fußballgeschichte meinte es nicht gut mit den beiden Johans, die auf Clubebene alles gewonnen hatten, was es zu gewinnen gab. Da waren Paul Breitner und Gerd Müller sowie ein in der weiteren Spielzeit nicht mehr zu überwindender Sepp Maier, das Spiel endete 2:1 für Deutschland. Vier Jahre später stand Neeskens wieder in einem WM-Finale, wieder eine Niederlage, diesmal mit 1:3 gegen Argentinien.
„Das war wie eine Bombe, dass so ein Weltstar nach Singen kommt. Aber er war sehr bodenständig, hat vor jedem Training die Bälle selbst aufgepumpt – der war sich für nichts zu schade.“Manuel Klökler, ehemaliger Spieler unter Johan Neeskens
Und weitere 17 Jahre später wurde zum allgemeinen Erstaunen eben jener Johan Neeskens, ein Superstar der 1970er, im Hotel Lamm als neuer Trainer des FC Singen 04 vorgestellt. Und was sich schon bei seiner Vorstellung andeutete, das bestätigen dann auch die Singener Spieler im Rückblick: „Trotz seiner Vita war er total normal, sehr geerdet, nicht abgehoben, er war einer von uns!“, blickt Axel Storz zurück. Und auch Manuel Klökler war erstaunt über die Normalität des Ausnahmekickers: „Das war wie eine Bombe, dass so ein Weltstar nach Singen kommt. Aber er war sehr bodenständig, hat vor jedem Training die Bälle selbst aufgepumpt – der war sich für nichts zu schade.“ „Er war ein Großer des Fußballs – auf und neben dem Platz, und es war eine große Ehre, unter ihm spielen zu dürfen!“, fasst Eric Schönfeld zusammen.
„Hallo, ich bin der Johan!“
Sportlich legte Neeskens den Grundstein für den späteren Erfolg mit Oberligaaufstieg und Pokalgewinn, selbst konnte er ihn nicht einfahren. Zum einen waren die Gegner stets auch ein wenig motivierter gegen die Neeskens-Elf und zudem nahm er 1996 das Angebot als Co-Trainer in der niederländischen Nationalmannschaft an.
Am Sonntag ist Neeskens im Alter von 73 Jahren verstorben. Er hinterlässt Ehefrau Marlis, vier Kinder, zwei Enkelkinder. Fußballfans bleibt sein Strafstoß im WM-Finale 1974 in Erinnerung, den Anwesenden bei der Pressekonferenz in Singen ein zurückhaltender Mann, der sich schlicht mit Handschlag vorstellte: „Hallo, ich bin der Johan!“