Herr Matheis, im Bezirk Bodensee gab es in diesem Jahr bereits zwei Abbrüche von Punktspielen nach Attacken auf Schiedsrichter. Lässt das eine schwierige Rückrunde befürchten?
Zuallererst: Jeder Fall ist einer zu viel. Aber es handelte sich in beiden Fällen um einzelne Personen, die ausgerastet sind, nicht etwa um große Gruppe von Spielern oder um eine Massenschlägerei. Solche Einzelfälle wird es – leider – wohl immer geben.
Nach den Saisonabbrüchen aufgrund von Corona müsste doch eigentlich bei jedem Einzelnen die Lust auf ungestörten Amateurfußball groß sein.
...und den Eindruck habe ich auch. Zumindest was die Fußballer selbst angeht, die große Lust zeigen, wieder auf den Platz gehen zu dürfen und sich auch dementsprechend verhalten. Und das ist auch messbar: Die Zahl der Personenstrafen ist im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit deutlich zurückgegangen, sprich: es wurden weniger Gelbe und Rote Karten verteilt als vor der Pandemie.
Also sind vermehrt die Einflüsse von außen das Problem: Eltern, die ausrasten, Fans, die randalieren. Wie kann man dagegen vorgehen? Müssen die Vereine in Zukunft mehr Ordner stellen?
Das ist ein ernsthaftes Problem. Wichtig ist, dass mindestens zwei gekennzeichnete Platzordner vorhanden sind. Aber auch wenn ein Club zehn Ordner stellt, ist so ein Vorfall wie in Dettingen kaum zu verhindern. Wenn ein Zuschauer im Amateurfußball aufs Spielfeld will, findet er einen Weg an den Ordnern vorbei. Den Vereinen wurde schon durch Corona viel zugemutet, noch mehr Auflagen können sie meiner Meinung nach nicht verkraften.
Beim aktuellen Fall in Dettingen waren angeblich Fans eines türkischen Sportvereins Auslöser des Abbruchs. Auf der anderen Seite kritisiert ein Spieler dieses Clubs, dass er und seine Teamkollegen oft von Anhängern deutscher Vereine provoziert werden. Ist rivalisierende Nationalität ein Problem im Bezirk Bodensee?
Spielern mit Migrationshintergrund wird eine größere Emotionalität auf dem Platz zugeschrieben, manchen auch ein größeres Aggressionspotenzial. Das ist kein Problem des Fußballs, sondern ein gesellschaftliches. Der Fußball ist da nur ein Spiegel. Alle Vereine sind in der Pflicht, Aggressionen auf dem Fußballfeld entschlossen entgegen zu treten. In beiderlei Hinsicht, sowohl, was die Gewaltprävention unter Spielern, als auch, was die Einmischung der Zuschauer angeht. Provokationen gegen Spieler mit Migrationshintergrund können ebenso wenig geduldet werden wie Attacken gegen Schiedsrichter, weil man seine Emotionen nicht im Griff hat.
Was tut der Bezirk dagegen?
Wir habe schon in der Vergangenheit Info-Veranstaltungen zur Gewaltprävention angeboten und werden dies verstärkt auch weiterhin tun. Aber da sind natürlich die Vereine, ja auch jeder einzelne Zuschauer in der Pflicht.
Zur Zeit läuft gerade der Schiedsrichter-Neulingslehrgang. Vorgänge wie in Dettingen oder Litzelstetten dienen da nicht gerade als Werbemaßnahmen für die Gewinnung neuer Schiedsrichter.
Nein, sicher nicht. Das ist nicht gerade förderlich. Konkrete Auswirkungen haben diese beiden Fälle aber nicht gehabt.
Im Bezirk Hochrhein haben die Schiedsrichter vor Jahren einen Spieltag lang ausgesetzt, um zu zeigen, dass es ohne sie nicht geht. Ein probates Mittel aus Ihrer Sicht?
Nein, für mich nicht. Da werden viele Spieler und Vereine, die sich fair verhalten, für die Vergehen von Wenigen bestraft.
Gibt es denn bestimmte Problemvereine, bei denen sich Schiedsrichter gegen eine Spielleitung weigern?
Ja, das kommt schon vor. Das sind aber Einzelfälle.
Um welche Clubs handelt es sich?
Die möchte ich nicht nennen.
Nach dem Vorfall in Litzelstetten hat sich ein Schiedsrichter aus dem Bezirk, der vor Jahren selbst Opfer einer Attacke geworden ist, zu Wort gemeldet. Aus seiner Sicht seien die Strafen nach solchen Vorgehen zu gering. Ihre Meinung?
Das kann ich nicht nachvollziehen. Unsere Sportrichter handeln nach bestem Gewissen, um faire Urteile zu fällen. Und das war auch beim Abbruch in Litzelstetten, als ein Vater eines Spielers einen 15-Jährigen Schiedsrichter geschlagen hat, der Fall.
Denken Sie schon sorgenvoll an das Saisonfinale, wenn es gegen den Abstieg und um Titel geht und die Emotionen vielleicht noch ein wenig höher kochen?
Nein. Ich bleibe da gelassen. Wir haben schon viele Spielrunden sauber zu Ende gebracht. Und ich bin zuversichtlich, dass es auch dieses Jahr klappen wird.