Zehn Spiele, null Punkte, Letzter, der am Ende rettende Tabellenplatz 16 bereits sechs Punkte entfernt – Aufsteiger HSG Konstanz erlebt in der 2. Bundesliga harte Zeiten.
Sind angesichts des ernüchternden Saisonstarts schlechte Gefühle im Schänzleareal heimisch geworden? Gar eine leichte Depression? Ist die Flinte schon ins Korn geworfen?
Der Qualitätsmangel
„Wer aufgibt, steigt ab“, hatte Geschäftsführer André Melchert vor Saisonbeginn gesagt. Und, Hand aufs Herz, aufgegeben? Melchert grinst, dann wird er ernst, kann die Frage zwar verstehen, empfindet sie aber als provokant.
„Nach zehn von 34 Spieltagen? Die Jungs sind positiv, der Trainer auch, ich auch, der gesamte Verein ist positiv“, entgegnet er. Allerdings sieht er durchaus Defizite.
„Ja, es fehlt uns an Qualität“, sagt Melchert, es soll keine Kritik an den Spielern sein, weil man gewusst habe, mit welchem Kader man in dieses Zweitliga-Spieljahr gehe, „mit jungen Spielern, von denen die meisten keine Erfahrung haben auf diesem Niveau“.
Mal abgesehen von drei hoch verlorenen Spielen sei man aber immer nah dran gewesen, „wir spielen mit, doch am Ende reicht es nicht, weil Würfe nicht gut genug sind oder wir technische Fehler produzieren.“
Was bleibt, ist die Erkenntnis: „Wir müssen die Spieler besser machen, daran müssen wir arbeiten, gut arbeiten.“
Das Kopfkino
Nah dran zu sein heißt, ein gutes Ergebnis nicht über die Ziellinie zu bringen. 40 starke Minuten reichen nicht, 45 und 50 auch nicht. Gegen Ludwigshafen entglitt der mögliche Punktgewinn nach 57 Minuten, in Lübeck zwischen der 47. und 52. Minute, gegen Ferndorf nach 45 Minuten, gegen Dormagen ab der 50. Minute.

Und in Coburg war man bei der 28:30-Niederlage immer auf Schlagdistanz, ohne zählbares Ergebnis. Negatives Kopfkino? „Möglich“, sagt Michel Stotz, „wenn du dran bist am Gegner und es in die entscheidenden Minuten geht, dann kann schon sein, dass der Gedanke eine Rolle spielt, jetzt muss jede Aktion sitzen.“
Kräfteschwund und Fans
Also weniger die psychische als die physische Belastung? Das wirft die Frage auf, warum die Neuzugänge Sören Fuhrmann und Luca Schwormstede bislang nur wenig Einsatzzeiten hatten.
Wo doch Schwormstede gegen Dormagen in der zweiten Halbzeit gleich mal vier Tore machte. „Das sagen viele“, gibt Trainer Vitor Baricelli zu, aber es gehe nicht nur um Angriffssituationen, man müsse „den Gesamtkomplex Angriff/Abwehr“ sehen.
Baricelli spricht vom „Luca-Effekt“ gegen Dormagen, das sei ein „guter Gegner“ für ihn gewesen, doch beispielsweise in Essen, als Schwormstede mehr Spielzeit erhielt, „da hat‘s dann nicht so geklappt“.
Baricelli sieht das Bessermachen von Spielern als wichtigste Aufgabe und das benötige Zeit. Der Geschäftsführer springt dem Trainer da bei.
„Wenn wir den Luca früher ins kalte Wasser geworfen hätten und es wäre schiefgegangen“, sagt Melchert, „dann hätte es doch gleich geheißen, der kann‘s auch nicht.“
Sind Fans so böse? Sind sie nicht. „99 Prozent der Zuschauer sind gut gestimmt“, sagt Melchert, „sie spüren, dass die Jungs immer alles reinschmeißen.“ Michel Stotz nimmt sich und die Kollegen in die Pflicht: „Es liegt an uns, wir müssen die Stimmung entfachen.“
Und das noch
Es gäbe noch mehr Themen. Zwei Punkte aber bewegen André Melchert vor allem noch: die Schiedsrichter und die Herangehensweise der HSG-Akteure. Leider würden von den Unparteiischen die Mehrheit der 50:50-Situationen gegen die HSG Konstanz entschieden.

Und manchmal noch mehr. „Was die Brüder Lier gegen Minden gepfiffen haben, ist unterste Schublade. Kannst du ruhig schreiben“, schimpft Melchert. Was den „kleinen Aufsteiger“ angeht, sagt er: „Wir dürfen nicht versuchen, ‚nur‘ Handball zu spielen. Wir müssen über den Kampf kommen.“
Und als solcher schnell punkten, am besten schon am nächsten Wochenende in Nettelstedt. Ein erster Sieg, glaubt HSG-Kapitän Michel Stotz, könne wie ein Dominostein sein, „wenn der erste fällt ...“