Es ist eine bekannte Sportler-Plattitüde. Ob Spieler, Trainer, Sportdirektor oder Präsident, sie alle denken gerne nur von Spiel zu Spiel – und manchmal stimmt das ja auch tatsächlich. Bei der HSG Konstanz setzt man da noch einen drauf. „Wir denken von Training zu Training“, sagt Felix Sproß, der 27-Jährige, der im Sommer 2023 vom schwedischen Klub OV Helsingborg an den Bodensee kam.
Sproß hat auch eine Erklärung für die eher ungewöhnliche Sichtweise. „Für alles ist Training die Basis“, sagt Sproß. Und „für alles“ bedeutet in Summe: für die Spiele! Aber es bedeutet mehr: für die Herangehensweise in den Partien, für Stabilität in der Deckung, für Variantenreichtum im Angriff. Und in der Gesamt-Auswirkung: für den Erfolg!
Das nächste Training haben Felix Sproß und Teamkameraden am heutigen Mittwochnachmittag. Nicht am Schänzle, sondern in einer Sporthalle in Koblenz. In der Stadt, wo Rhein, Mosel und Lahn zusammenfließen, machen die Konstanzer Handballer einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Krefeld, wo am Donnerstag, 17 Uhr, das erste Aufstiegsspiel zur 2. Bundesliga stattfindet. Am Abend wird das Hotel in Krefeld bezogen, gemeinsam gegessen „und spätestens dann die Anspannung steigen“, glaubt Sproß.
Anspannung gehört freilich dazu, genauso die Vorfreude. „Wir haben 2024 ja nur in Pfullingen verloren, und dass wir unangefochten Meister geworden sind, ist etwas Besonderes, das sich sehr gut anfühlt“, sagt Sproß. Dann geht sein Blick nach vorne. Man habe sich Videos von der HSG Krefeld angeschaut, „aber live ist halt doch was anderes“.
Spielidee und John Wayne
Felix Sproß gefällt die Spielidee von Trainer Jörg Lützelberger, der schnelle Angriff mit vielen Eins-zu-eins-Situationen. Aber, Achtung, im Training (Basis für alles!) wird eben auch, so Sproß, „das disziplinierte Arbeiten einstudiert, wenn die zweite Welle nicht funktioniert“. Die Mischung, der Tempowechsel macht‘s, weiß Sproß: „Es muss ja nicht unbedingt zwingend auf Tempo gehen. Schnell, aber schlau soll es sein.“
So oder so, der gebürtige Mindener, dessen Familie in Lörrach lebt, fühlt sich in Konstanz „immer wohler“. Zu gerne möchte er in Krefeld seinen Teil zum ersten Schritt Richtung 2. Bundesliga beisteuern, denn „der Aufstieg ist ganz klar das Ziel“.
Felix Sproß hat dann noch eine Spezialität auf Lager, die den HSG-Fans gefällt. Nicht immer, aber prinzipiell schon. So geht manchmal ein freudiges Jauchzen durch die Zuschauerreihen. Und, ja, manchmal auch ein Raunen. Aber gar keine Reaktion auf den Rängen, das geht nicht, wenn der Sproß einen seiner ansatzlosen, gewaltigen Würfe aus dem Unterarm heraus Richtung Tor rauschen lässt.
Schlägt die Kugel mit Volldampf im gegnerischen Kasten ein, gibt‘s Oberschenkelklopfer und Jubel, wird der Wurf abgeblockt oder vom Torhüter pariert, kracht er gegen Latte, Pfosten oder verfehlt gar das Ziel, gibt‘s auch Oberschenkelklopfer, garniert allerdings mit einem Grummeln.
Wenn der Block des Gegners nicht steht, versucht es Sproß gerne mal wie John Wayne aus der Hüfte. „Ich ziele dann nicht, das geht alles zu schnell“, sagt er und weiß ums Risiko, sich da wie zwischen Himmel und Hölle zu bewegen. Die Erkenntnis: „Ich kann diese Würfe nur sporadisch einsetzen.“
In den Reihen der HSG gibt es mit Christos Erifopoulos noch einen Spieler, der ansatzlose Würfe beherrscht. Felix Sproß, der im linken Rückraum agiert, hat für seinen Nebenmann in der Mitte höchstes Lob parat. „Der Christos zieht den Wurf und macht im letzten Moment noch eine Handbewegung“, sagt „Sprossi“. So nennt ihn sein ganz besonderer Kumpel Konstantin Poltrum, der die Nummer eins ist zwischen den Pfosten bei der HSG. Der „Konsti“ macht im Training immer wieder Bekanntschaft mit John-Wayne-Würfen und findet diese „unangenehm, weil man sie später sieht als andere Würfe und deshalb oft überrascht wird“.
Gelbe Wand auch auswärts
Auf Poltrum wird es am Donnerstag vermutlich besonders ankommen. Natürlich auch auf Erifopoulos und Sproß, den besten Torschützen Lukas Köder, Linkshänder Fynn Beckmann und alle anderen, die hier fehlen, aber Trainer Jörg Lützelberger zur Verfügung stehen. Und am Ende auch auf die HSG-Fans, die in Krefeld eine kleine gelbe Wand bilden wollen. „So einen Support habe ich noch nie erlebt“, sagt Felix Spross, „das ist unglaublich und ein wesentlicher Bestandteil unseres Erfolges.“
Also, auf geht‘s. Donnerstag, 17 Uhr, Krefeld, Sporthalle Glockenspitz.