Der Volksmund macht da einen auf salopp. Handballtorwart ist ...
... etwas für Freaks, für Besessene, für Verrückte, für Adrenalinjunkies, für Masochisten und so weiter und so fort.
Konstantin Poltrum, schon mal von 2015 bis 2018 und seit Dezember 2023 wieder bei der HSG Konstanz, ist ein ziemlich Guter auf dieser Position zwischen Himmel und Hölle. Er springt auf Gegner zu, die frei am Kreis zum Wurf kommen, reißt Arme nach links, rechts, oben, zieht mal das rechte, mal das linke Bein hinauf bis zu den Ohrläppchen, riskiert immer, dass er den Ball, salopp, salopp, volle Lotte auf die Birne bekommt, ins Gesicht, gegen die Stirn oder die Schläfe. „Kann immer passieren. Berufsrisiko“, sagt Poltrum.
Das hat was von der Gelassenheit des Stoikers, doch ein Lächeln huscht ihm nicht über das Gesicht. Und dann erzählt Poltrum auch schnell eine ganz andere Geschichte – eine von drei Kopftreffern, die er allesamt im Training bei seinem damaligen Klub SG BBM Bietigheim kassiert hat.
Jedes Mal die Folge: Gehirnerschütterung, ärztliche Betreuung, Regeneration für Körper und Geist. „Nach dem zweiten Kopftreffer hatte ich mir geschworen, nach dem dritten hörst du auf“, sagt Poltrum. Das hat er dann nicht, wie man heute weiß, aber eine schöpferische Pause musste sein.
Im Flieger nach Südamerika
Wenig später sitzt Konstantin Poltrum im Flugzeug nach Südamerika. Nach dem Abitur hatte er eine große Reise machen wollen, hat nicht geklappt, „aber der Traum ist nie verloren gegangen, auch nicht während des Studiums“. Lehrer wird er mal werden, der „Konsti“, nur die Masterarbeit fehlt noch. Welche Schulform? Weiß er noch nicht. „Ich bin kein Typ, der Sicherheit braucht“, erklärt der 30-Jährige.
Mit dieser Einstellung macht sich der Mann auch auf den Weg nach Südamerika, nachdem er zuvor „online, über Apps, alles was ging“ Spanisch gelernt hatte. „Bei uns in Deutschland ist alles organisiert und doch so hektisch. Ich wollte sehen, wie die Menschen dort mit dem Leben umgehen“, beschreibt er seine Idee hinter der Reise.
Seine Stationen: Chile, Peru, Costa Rica und Kolumbien. Er trainiert junge Handballer in Santiago de Chile, arbeitet in Peru für Kost und Logis auf einer ökologischen Farm. „Ich habe Ananas und Bananen gepflanzt, und auch ein Huhn geschlachtet“, erzählt er. Kein Wasser, dafür eine Machete, um durch den Regenwald zu kommen zur einzigen Einkaufsmöglichkeit. „Da schaust du schon nach links und rechts“, sagt Poltrum. Er hat Kolibris, Moskitos und Gürteltiere gesehen, aber keine Raubtiere. Die würden sich vor den Menschen fürchten, nicht etwa umgekehrt.
In Costa Rica („ein wunderschönes Land“) ist dann doch Urlaub angesagt. Ehefrau Sarah kommt dazu, nach ihrer Rückreise zieht es Poltrum noch nach Kolumbien, wo er sich in einer Sprachschule als Englischlehrer nützlich macht. Dann ist die Reise zu Ende, der Konsti hat seinen Traum wahr gemacht – und verspürt plötzlich wieder Lust auf Handball. Er heuert bei der HSG Konstanz an und wehrt jetzt wie eh und je viele Würfe ab. Sein Können ist sozusagen verfügbar, anders als sein Eindruck unterwegs in Südamerika. „Der Zauber auf solch einer Reise“, sagt Poltrum, „liegt in der Unverfügbarkeit.“