Herr Stehle, der TuS Steißlingen hat nach zwei Spieltagen in der Handball-Südbadenliga bereits zwei Siege auf dem Konto, wird in der Tabelle aber mit null Punkten geführt. Wie ist das möglich?
Das liegt an dem Punktabzug im südbadischen Verbandsgebiet, da der Verein in der letzten Saison nicht die nötige Anzahl an Schiedsrichtern im Vergleich zu den gemeldeten Mannschaften stellen konnte. Der TuS Steißlingen weist vier Wiederholungs-Fehlstellen auf und ging deswegen mit vier Minuspunkten in die Spielzeit.
Betrifft dies auch andere Handballvereine aus dem Bezirk?
Ja, es sind zehn Vereine im Bezirk in der laufenden Saison betroffen, davon sechs, die auf Verbandsebene spielen.
Sind solche drastischen Strafen nötig?
Die Situation, was die Schiedsrichter im Südbadischen Handball-Verband angeht, ist ernst. Ein Mangel existiert da schon seit längerer Zeit. Im Bezirk zum Beispiel haben wir 76 Schiedsrichter zur Verfügung, bräuchten aber 40 weitere. Spiele ohne Unparteiische durchzuführen, sollte die absolute Ausnahme darstellen. Und dass diejenigen, die sowieso schon pfeifen, noch mehr Partien auf sich nehmen müssen, ist auf Dauer kaum zumutbar. Deshalb sind solche Sanktionen notwendig, damit die Vereine intensiver auf die Suche nach Schiedsrichter-Nachwuchs zu gehen.
Nehmen die Vereine den Punktabzug denn einfach hin?
Da gibt es schon kritische Stimmen. Aber es ist ja nicht so, dass diese Maßnahme über Nacht eingeführt wurde. Sie wurde bereits 2019 beim Verbandstag beschlossen – übrigens mit großer Mehrheit von den Vereinen selbst. Während der Corona-Zeit wurde dann von Verbandsseite die Umsetzung mehrfach verschoben und greift jetzt erstmalig in dieser Saison. Zuvor wurde das Thema aber mehrfach bei Bezirkstagen angesprochen und auch publik gemacht. Es sollte also jetzt kein Vereinsfunktionär überrascht sein, vor allem, weil dies schon lange auf der Verbands-Homepage zu lesen ist.
Sie sind Steißlinger, Mitglied beim dortigen TuS, fungieren als Bezirksvorsitzender und sind dadurch auch im Präsidium des Südbadischen Handball-Verbandes vertreten. Besteht da kein Interessenskonflikt?
Wer mich kennt, weiß, dass ich seit 18 Jahren als Bezirksvorsitzender eine gerade Linie fahre. Natürlich fühle ich mich mit dem TuS Steißlingen eng verbunden. Als Funktionär bin ich aber für alle da und kann keine Extrawürste anbieten.
Also werden Sie nicht ausgebuht, wenn Sie in die Steißlinger Mindlestalhalle als Zuschauer kommen?
(lacht) Nein, die meisten verstehen, dass die Maßnahme absolut nötig ist. Ich stehe auch voll hinter der Entscheidung, obwohl ich nur zu gut weiß, wie schwer es ist, neue Schiedsrichter zu finden. Da ist viel Initiative seitens der Vereine nötig. Mehr als früher, als die Abstellung von zu wenig Schiedsrichtern mit Geldstrafen geahndet wurde. Es ist für einen Club viel einfacher, einen Sponsor zu finden, der das regelt, als neue Schiedsrichter. So konnte das grundsätzliche Problem aber nicht gelöst werden.
Sie waren selbst jahrelang als Schiedsrichter aktiv. Könnten Sie nicht aushelfen, um Löcher zu stopfen?
Ich war jahrzehntelang an der Pfeife und habe dies immer sehr gerne gemacht. Doch mit 62 Jahren will ich nicht mehr auf die Platte. Da sollten jetzt Jüngere ran.
Als erfahrener Schiedsrichter können Sie doch aber bestimmt sagen, weshalb es sich lohnt, beim Handball zu pfeifen?
Als Schiedsrichter muss man schnelle Entscheidungen treffen und diese auch durchsetzen. Das stärkt ungemein das Selbstbewusstsein. Man lernt fürs Leben!