Fußball: Der Spielabbruch am Wochenende in der Bezirksliga Bodensee könnte gravierendere Folgen haben als zunächst angenommen. Schiedsrichter Kadir Tutuk hatte die Partie zwischen dem Hattinger SV und dem SC Markdorf vorzeitig beendet. Warum? Die Platzherren sprachen von einer kuriosen Situation, sahen sich zunächst zu Unrecht mit Gelben und Roten Karten bedacht. Dass der Schiedsrichter im Anschluss von einem Hattinger Spieler angespuckt worden sei, wurde von Thomas Gassner, dem Vorsitzenden des Hattinger SV, zurückgewiesen. Dass es aber genau um diesen Vorwurf geht, bestätigte nun Norbert Waßmer, Obmann der Bezirksschiedsrichter. „Ich habe mit Kadir Tutuk nach der Partie telefoniert, er hat mir die Situation, die zum Abbruch führte, genauso geschildert, eben dass er angespuckt worden sei“, erklärt Waßmer. Und weiter: „Wenn ein Schiedsrichter angespuckt wird, hat er die Partie abzubrechen, das ist laut Statuten mit einer Tätlichkeit gleichzusetzen.“ Dass die Situation eskaliert sei, habe auch nichts mit der Schiedsrichter-Leistung zu tun gehabt, denn „ein Schiedsrichter-Beobachter, der vor Ort dabei war, hat Tutuk eine einwandfreie Leistung attestiert“.

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Welche Strafen Verein oder Spieler drohen könnten, dazu wollte Waßmer nicht spekulieren. Auch wie lange es bis zu einem Urteil dauern könnte, sei ungewiss. In der Vergangenheit habe das mal wenige Tage, mal einige Woche gedauert – je nach Fall. Sicher sei aber, dass der Fall darüber hinaus ein Nachspiel haben wird. „Wir werden das bei unserer nächsten Schiedsrichter-Tagung besprechen“ kündigte Waßmer an, der bereits seit Monaten auf Missstände im Bezirk Bodensee hinweist. „Die persönlichen Beleidigungen, denen die Schiedsrichter ausgesetzt sind, müssen ein Ende finden. So geht das nicht weiter, das habe ich beim vorletzten Bezirkstag und bei den Staffeltagen vor dieser Saison immer wieder zum Ausdruck gebracht.“ Auch der Bezirksvorsitzende Konrad Matheis hatte die Problematik zuletzt benannt. Er sprach beim Bezirkstag im Juli in Markelfingen von „74 Urteilen wegen mangelndem Schutz der Schiedsrichter und Vernachlässigung der Platzdisziplin“. Außerdem ist im Protokoll der Veranstaltung nachzulesen, dass es 32 Urteile wegen „Tätlichkeiten gegen Zuschauer, Gegenspieler, Schiedsrichter und andere Beteiligte“ gegeben habe. Viel zu viele – da sind sich alle Funktionäre am Bodensee einig.

Bezirksschiedsrichter-Obmann Norbert Wamßer will seine Schiedsrichter-Kollegen vor weiteren Anfeindungen und Tätlichkeiten schützen.
Bezirksschiedsrichter-Obmann Norbert Wamßer will seine Schiedsrichter-Kollegen vor weiteren Anfeindungen und Tätlichkeiten schützen. | Bild: BSA

Der 61-jährige Waßmer sieht in der Entwicklung ein gesellschaftliches Problem. Er kritisiert, dass sich Trainer, Spieler aber auch Zuschauer viel zu häufig danebenbenehmen würden, dass dieses Verhalten auch nicht unterbunden werde. Auf den Sportplätzen, aber auch nach den Spielen in den meist unteren Ligen. „Da wird dann in einer Art und Weise über die Schiedsrichter in den Sozialen Medien hergezogen, dass einem nichts mehr einfällt.“

Morddrohung gegen Schiedsrichterin

40 Prozent der Bezirks-Schiedsrichter seien 22 Jahre alt oder jünger, dazu zählt auch Kadir Tutuk. „Und gerade junge Menschen sind natürlich verstört, wenn sie auf und abseits der Sportplätze dann beleidigt und angegangen werden.“ Völlig eskaliert sei ein Fall, als es vergangene Spielzeit eine Morddrohung gegen eine Schiedsrichterin aus dem Bezirk in einem Online-Netzwerk gegeben habe. „Die junge Frau war eine talentierte Schiedsrichterin, war sogar bereits auf Bundesebene aktiv. Nach der Morddrohung hat sie aufgehört, das wollte sie sich nicht mehr antun.“

2013 wurde am Hochrhein ein Spieltag komplett abgesagt

Entsprechend sensibilisiert sind die Schiedsrichter-Verantwortlichen im Bezirk, die ihre Nachwuchskräfte in jedem Fall vor weiteren Auswüchsen schützen wollen. Im Bezirk Hochrhein wurden im April 2013 alle Spiele aufgrund vermehrter Aggressionen und Anfeindungen gegen Schiedsrichter abgesagt. Ist eine solche Reaktion auch im Bezirk Bodensee denkbar? „Damit trifft man dann halt auch immer diejenigen Vereine, die sich nichts zu Schulden kommen lassen“, erklärt Waßmer, der eine solche Aktion aber nicht generell ausschließen will.

„Noch sind wir hier in der Luxussituation, dass wir alle Spiele bis zur Kreisliga C mit Schiedsrichtern besetzen können. Das ist beispielsweise im Württembergischen Verband schon lange nicht mehr möglich. Aber wir werden das nur halten können, wenn die Schiedsrichter fair behandelt werden.“

Dass nun schon nach wenigen Spieltagen der erste Spielabbruch wegen einer Tätlichkeit verzeichnet werden musste, lässt wenig Gutes für die weitere Saison erahnen. Auch deshalb gelte es, das Problem energisch anzugehen.