Handball, 2. Bundesliga: Das Wort des Abends lautet: unbeschreiblich. Nach 46 Minuten im Spiel der HSG Konstanz gegen den Bergischen HC gibt Trainer Vitor Baricelli seiner Nummer fünf das Zeichen: Rauf aufs Spielfeld, ran an den Kreis.

Ein unbeschreibliches Gefühl

Auf dem Trikot mit der fünf steht der Name Iberl, doch im Trikot steckt Lucas Farias-Veeser. Ist das überhaupt erlaubt? „Ja“, erklärt der 20-Jährige aus der U21, „solange der richtige Name im Spielberichtsbogen steht.“ So ist es, und im Augenblick seiner Einwechslung wird dem jungen Mann klar: Er ist nicht nur einer für die Bank, er darf auch spielen. Das Gefühl? Unbeschreiblich!

Gesagt vom Trainer, getan vom Spieler. 45 Sekunden später hat Lucas den Ball in Händen und befördert ihn vorbei an Torhüter Christopher Rudeck ins Tor. Der hat Erstliga-Erfahrung und in dieser Partie schon etliche Schüsse pariert, diesen aber nicht – unbeschreiblich!

„Da hast du...“, sagt Lucas, macht eine Pause und vollendet dann den Satz, „... Gänsehaut, Glücksgefühle, was soll ich sagen, unbeschreiblich.“ Dass sein Treffer die HSG auf 22:30 heran bringt gegen den Tabellenführer: geschenkt. Das Endresultat von 28:35: geschenkt. „Als ich das Tor geworfen hatte, habe ich gesehen, wie meine Kollegen aus der Zweiten auf der Tribüne aufgesprungen sind und jubelten“, schildert Lucas Farias-Veeser den Moment danach.

Extra lauter Beifall für besonderen Moment

Wenn man die Zeit anhalten könnte, wenigstens für Sekunden, zu schön wäre das. In vielen Sportarten kann man Freude ja auskosten, im Handball nicht. Da läuft sofort der Gegenangriff, schnelle Mitte, fiese Sache. Immerhin sind nicht nur die Freunde aus der U21 aus dem Häuschen, alle Zuschauer haben ein feines Gespür für das Geschehene. Der Beifall auf den Rängen ist extra-laut.

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Wenigstens ebbt das Glücksgefühl nicht so schnell ab. In der Kabine gibt‘s Glückwünsche von den (neuen) Mannschaftskameraden. Im Foyer herzt ihn die Freundin, überall muss er Hände schütteln. Als es endlich ruhiger wird, verlangt der Kopf sein Recht. „Ich hatte das Tor vor Augen, immer und immer wieder“, sagt Lucas Farias-Veeser. Es kostet ihn die Nachtruhe. „Ich konnte kaum schlafen, aber ich wollte auch nicht“, berichtet er anderntags, aber das war ja nichts Neues, denn schon die Nachtruhe von Dienstag auf Mittwoch war gar keine.

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„Als mir Vitor nach dem Training am Dienstag gesagt hatte, dass ich zum Kader gehöre, konnte ich auch nicht schlafen“, sagt Lucas, „ich war nervöser als beim Einlaufen aufs Spielfeld.“ Licht aus, Musik an, auch das ein Erlebnis, „unbeschreiblich.“

Auch der Bruder spielt für die HSG Konstanz

Oder so: unvergesslich für einen Handballer durch und durch. „Das ist mein Sport, eine Liebe fürs Leben“, sagt der gebürtige Konstanzer. Die Mutter aus Brasilien, der Vater aus Konstanz, sind Lucas und sein jüngerer Bruder Dominik zweisprachig aufgewachsen, „zuhause wird nur portugiesisch gesprochen“. Nach dem Abitur an der Geschwister-Scholl-Schule studiert Lucas inzwischen an der Fern-Uni Hagen Gesundheits- und Ernährungswissenschaften. Dominik wird sein Abi nächstes Jahr am Humboldt-Gymnasium machen, natürlich spielt auch er Handball bei der HSG.

Die Realität hat Lucas Farias-Veeser inzwischen eingeholt. Sie heißt: Steißlingen. Da steigt am Samstag um 20 Uhr das vermutlich für den Aufstieg in die Regionalliga entscheidende Spiel. Die U21 der HSG Konstanz führt die Tabelle mit einem Punkt Vorsprung auf den TuS Steißlingen an. Derbys sind immer besonders und dieses erst recht. Lucas glaubt an den Sieg, denn: „Wir sind eine supergeile Truppe.“