Fußball: – Während viele Vereine ihre eigene Waschküche im Sportheim haben und dort für die Sauberkeit ihrer Ausrüstung sorgen, hatte der FC Binzgen über Jahrzehnte hinweg die Familie Schillinger auf dem Dörnet. Nun, nach sage und schreibe 58 Jahren, endet für den Kreisligisten eine zur Selbstverständlichkeit gewordene Tradition. Künftig braucht kein Fußballer mehr am Wochenende bei den Schillingers klingeln, um frisch gewaschene Trikots abzuholen: „Nachdem die Waschmaschine ihren Geist aufgegeben hat, war für uns klar, dass wir aufhören“, bringt es Jürgen Schillinger auf den Punkt.

Seine Großmutter, die 1987 verstorbene Luise Eckert, hatte seinerzeit ein Einsehen mit den Fußballern. Im Juni 1962 war der FC Binzgen gegründet worden, die jungen Männer aus dem Dorf meldeten ihre Mannschaft umgehend zum Spielbetrieb und besorgten sich blau-weiße Trikots. Zunächst fiel die Aufgabe, nach dem Spiel wieder für eine saubere Ausrüstung zu sorgen, den Spielern selbst zu. Jeden Sonntag nahm ein anderer Kicker die verschmutzten Klamotten mit nach Hause.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Ergebnis konnte sich aber nicht immer sehen lassen. „Als die Baumwoll-Hemden immer öfter verfärbt waren oder eingelaufen, erklärte sich die Oma bereit, diese Aufgabe zu übernehmen“, weiß Jürgen Schillinger um die Anfänge der „Trikotwäscherei“.

Oma Luise, damals noch in der Ledergasse zu Hause, machte sich fast unentbehrlich. Nicht nur, dass sie die Hemden, Hosen und Stutzen ordnungsgemäß gewaschen hatte: „Sie hat jedes Trikot und jede Hose gebügelt und fein säuberlich in die Sporttasche gelegt“, so Gertrud Schillinger über die akribische Arbeit ihrer Schwiegermutter: „Und sie hat Löcher gestopft, Risse in den Hemden vernäht und an den Stutzen die abgerissenen Stege wieder angenäht.“

Alexandra Schillinger, seit 2004 in dritter Generation fürs Trikotwaschen beim FC Binzgen zuständig: „Erstaunlich, was sich in so ...
Alexandra Schillinger, seit 2004 in dritter Generation fürs Trikotwaschen beim FC Binzgen zuständig: „Erstaunlich, was sich in so einem Trikotkoffer alles findet: Unterwäsche, Socken, Bananen, Müsliriegel und – als Krönung – eine ungeöffnete Packung Kondome.“ | Bild: Scheibengruber, Matthias

War es zunächst nur eine Mannschaft, die ihre schmutzigen Leibchen bei Luise Eckert waschen ließ, wurden es nach und nach mehr. Bald gab es eine Reserve-Elf beim FC Binzgen und Alte Herren. Dann kamen Jugendmannschaften hinzu – und sonntags stapelten sich die Wäscheberge.

Nach 25 Jahren übergab die mittlerweile erkrankte Luise Eckert die Aufgabe an ihre Schwiegertochter. Gertrud Schillinger schuf Platz im Eigenheim auf dem Dörnet, übernahm im Jahr 1987 die nicht unwichtige Aufgabe: „Es wurden immer mehr Mannschaften, die Trikots füllten bei mir ganze Schränke.“ Zwar verzichtete Gertrud Schillinger fortan aufs Flicken und Bügeln der Trikots, Arbeit machte die Wäscherei dennoch genügend.

58 Jahre im Einsatz für den FC Binzgen

Vor allem in der Schlechtwetterphase war Kreativität gefragt: „Nach Spielen auf einem Hartplatz, bist du fast verzweifelt“, kann Gertrud Schillinger heute über den Aufwand lachen: „Erst wurden die Klamotten in einer großen Wanne vorgewaschen, um den Sand raus zu kriegen. Dann erst habe ich die Sachen in die Waschmaschine gesteckt.“ Mit Streik drohte sie, als die Fußballer auf die großartige Idee gekommen waren, sich weiße Hemden und Stutzen anzuschaffen: „Die waren nach dem Waschen rosa. Den roten Sand hat du nicht raus gekriegt.“

Kein Wunder, dass Alexandra Schillinger, die 2004 ihre Schwiegermutter beerbte, mit einem Stoßseufzer anmerkt: „Kunstrasenplätze sind eine großartige Erfindung.“ Weder Sandreste noch Grasflecken schmückten zuletzt die Sportausrüstung der Binzger Fußballer. Nach der Wäsche sahen die Trikots fast wieder aus, wie neu.

Das könnte Sie auch interessieren

Was der Familie im Lauf der Jahre aufgefallen ist: „Als die Baumwolltrikots aus der Mode gekommen sind, war das Waschen nicht mehr so aufwändig, dafür waren die neuen Stoffe qualitativ nicht mehr so gut.“ Aufpassen mussten die Wäscherinnen vor allem auf die Werbeaufdrucke und Rücken-Beflockungen: „Je nach Ausführung waren die Nummern schnell verschwunden.“

Als Alexandra Schillinger vor 16 Jahren die Aufgabe in dritter Generation übernahm, einigte sie sich mit dem Verein, die Trikotmenge etwas zu reduzieren. So mussten sich die Alten Herren und die Jugend andere Lösungen suchen, während die Sportklamotten der Aktiven weiterhin im Ortsteil Dörnet gewaschen wurden – bis heute.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Arbeit wird Alexandra Schillinger nicht wirklich fehlen, denn eingeschränkt war das Familienleben durch die Tätigkeit durchaus: „Sonntags mussten sämtliche Trikots zum Abholen parat sein – und es mussten die richtigen Trikots sein.“ Entsprechend meldeten die Mannschaften vorneweg, welcher Satz benötigt wird. „Mittlerweile haben sie zwar keine langärmeligen Hemden mehr, dafür aber viel mehr einzelne Trikots als früher“, so Alexandra Schillinger: „Bis zu 20 Hemden, Hosen und Strümpfe sind in einer Tasche – weil ja jeder Spieler mittlerweile seine eigene Nummer tragen möchte.“

Und kommt abends nach dem Spiel die Fuhre wieder zurück, geht es erstmal ans Auspacken: „Erstaunlich, was sich in so einem Trikotkoffer alles findet“, schmunzelt Alexandra Schillinger und zählt lachend auf: „Unterwäsche, Socken, Bananen, Müsliriegel und – als Krönung – eine ungeöffnete Packung Kondome.“ Ihr Mann Jürgen weiß noch mehr: „Am Geruch der Trikots habe ich gut erkannt, ob sie gewonnen oder verloren haben“, deutet er die eine oder andere Bierfontäne an, die ihren Weg zwischen die Trikots gefunden hatte.

Das könnte Sie auch interessieren

Noch am Abend lief die erste Maschine an, Alexandra Schillinger standen zwei Geräte zur Verfügung: „Eine Maschine war mit Trikots befüllt, in der anderen wurden Hosen und Stutzen gewaschen. Die Ausrüstung muss ja schnell wieder sauber sein – falls kurzfristig ein Spiel verlegt wird. Außerdem kann man verschwitzte und schmutzige Klamotten nicht über lange Zeit so herumliegen lassen“, rümpft sie die Nase und erinnert sich an jenen jungen Fußballer, der eines Abends – Tage nach dem Spiel – mit dem Koffer an der Türe stand: „Er hatte die Trikots im Auto vergessen – entsprechend haben sie geduftet.“ Aber Alexandra Schillinger hat auch dieses Missgeschick ausgebügelt und beim nächsten Spiel trugen die Binzger Fußballer wieder aprilfrische Hemden.

Das alles ist im Hause Schillinger jetzt Geschichte. Die Familientradition endete in diesem Herbst, als wieder einmal eine Waschmaschine den Geist aufgegeben hat. Wie viele Geräte im Laufe der 58 Jahre ihren Dienst quittiert haben, weiß Gertrud Schillinger allerdings nicht mehr: „Auf jeden Fall mehr, als in einem normalen Haushalt.“

Künftig wird viel weniger Waschpulver und Weichspüler gekauft. Die überdimensionierte Wäscheleine im Garten kann erheblich gekürzt werden – und im Heizraum ist über den Winter überraschend Platz: „Montags kamst du da nicht durch“, lacht Jürgen Schillinger und freut sich auf mehr Freizeit: „Endlich können wir sonntags mal einen Familienausflug machen, oder auch mal ein paar Tage in Urlaub gehen – ohne uns um eine Ersatzlösung fürs Trikot waschen kümmern zu müssen.“