Herr Yahyaijan, was würden Sie als Sportdirektor– im Nachhinein betrachtet – als größten Fehler bezeichnen, den der FC 08 beim Aufstieg in die Regionalliga begangen hat?

Marcel Yahyaijan: Einen wirklichen Fehler würde ich nicht benennen – insgesamt war der Aufstieg ein großer Erfolg für die gesamte Region. Aber natürlich hat man recht schnell gemerkt, dass der Sprung in die Regionalliga größer ist, als viele im Vorfeld dachten. Das Jahr war extrem lehrreich und hat uns klar gezeigt, wo wir strukturell und sportlich wachsen müssen.

Wie kann das sein? Der Aufstiegswunsch war ja nicht neu, Zeit war also durchaus vorhanden.

Marcel Yahyaijan: Das stimmt, aber die Aufstiegssaison verlief alles andere als reibungslos – drei Trainer, viel Unruhe, und grundsätzlich ein Aufstieg, der erst am letzten Spieltag klar gemacht wurde und mit dem viele nicht gerechnet hatten. Man war in einigen Bereichen nicht bereit und musste erst Altlasten beheben, bevor man den vollen Fokus auf die Regionalliga legen konnte. Ich selbst bin recht kurzfristig wieder zurückgekommen – das war alles andere als optimal für den Start.

Hätte Villingen also besser bei der U21 auf die Oberliga verzichten sollen?

Marcel Yahyaijan: Wäre ich damals schon in der Verantwortung gewesen, hätte ich dem ganz klar nicht zugestimmt. Der Aufstieg der U21 hat den Verein sportlich, finanziell und organisatorisch überdehnt – im Grunde in allen Bereichen. Das aktuelle Ergebnis bestätigt meine Einschätzung, dass der Aufstieg nicht sinnvoll war.

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Und was war Ihrer Meinung nach die beste Entscheidung?

Marcel Yahyaijan: Auch wenn die Entscheidung damals mit Risiko verbunden war, war es rückblickend absolut richtig, Steffen Breinlinger bereits in der Regionalliga-Saison als Trainer zu holen. Die Situation war von Anfang an fast aussichtslos, aber wir haben es geschafft, trotz des Abstiegs mit einem positiven Gefühl aus der Saison zu gehen. Wir konnten uns dadurch jetzt auch gut auf die neue Spielzeit vorbereiten – das ist ein klarer Vorteil.

Inwieweit haben interne Querelen eine Rolle gespielt?

Marcel Yahyaijan: Das kann und möchte ich nicht im Detail beurteilen. Grundsätzlich gilt aber: Unstimmigkeiten helfen nie weiter – schon gar nicht in einem so komplexen Umfeld wie einem Fußballverein. Wenn man nachhaltig und erfolgreich arbeiten will, müssen alle an einem Strang ziehen.

Sie selbst wurden ebenfalls verbal angegriffen. Wie gehen Sie damit um?

Marcel Yahyaijan: Ich verfolge das nicht aktiv – aber klar, manches bekommt man mit. Gerade durch soziale Medien ist es heute ganz normal geworden, dass Leute von außen über Dinge urteilen, die sie gar nicht vollständig kennen. Viele dieser Aussagen nehme ich eher mit einem Schmunzeln zur Kenntnis als mit Ärger. Ein dickes Fell gehört in so einer Position ohnehin dazu.

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Können Sie sich erklären, warum die Resonanz mit weniger als 1000 Zuschauern im Schnitt so überschaubar war?

Marcel Yahyaijan: Das ist im Sport – und speziell auch in Villingen – ein ganz normales Muster. Wenn wir in der kommenden Saison erfolgreichen und attraktiven Fußball zeigen, bin ich überzeugt, dass wir mehr Zuschauer haben werden als in der Regionalliga. Wenn die Ergebnisse und das Spiel nicht stimmen, bleibt der große Andrang aus – so ehrlich muss man sein.

Kalkuliert wurde mit der Hälfte mehr, das macht mal knapp 100.000 Euro aus. War die Planung zu blauäugig?

Marcel Yahyaijan: Es haben in vielen Bereichen einfach die Erfahrungswerte gefehlt – und das ist in einer neuen Liga nicht untypisch.

Welche Lehren zieht der FC 08 aus der vergangenen Saison?

Marcel Yahyaijan: Wenn man sich in der Regionalliga wirklich etablieren will, reicht es nicht, von professionellen Strukturen zu sprechen – man muss sie auch umsetzen. Und das gilt nicht nur für den sportlichen Bereich, sondern genauso für die Organisation im Hintergrund. Genau da setzen wir jetzt an.

In Villingen war der Trainer früher gleichzeitig auch der Sportdirektor, diese Ämter haben Sie auch einst gemeinsam ausgeübt. Ist diese Verquickung nicht kontraproduktiv?

Marcel Yahyaijan: Weder würde ich selbst noch einmal beide Rollen gleichzeitig übernehmen, noch würde ich jemanden einstellen, der das tut. Die Aufteilung, wie wir sie jetzt haben, ist genau richtig: Ich bin für Kaderplanung und das Drumherum zuständig, Steffen kann sich voll auf die Arbeit auf dem Platz konzentrieren. Durch meine eigene Erfahrung als Trainer können wir uns konstruktiv austauschen – aber am Ende ist es die Aufgabe eines Cheftrainers, die Entscheidungen am Spieltag zu treffen.

Wie sehen Sie zum jetzigen Zeitpunkt die Mannschaft für die kommende Saison in der Oberliga aufgestellt?

Marcel Yahyaijan: Auch wenn wir das Budget deutlich reduzieren mussten, ist es uns gelungen, den Großteil der Mannschaft zusammenzuhalten – und das ist sehr positiv. Wir sehen uns mit dem aktuellen Kader gut aufgestellt für die kommende Oberliga-Saison.

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Haben Sie konkrete Ziele?

Marcel Yahyaijan: Unsere Erwartungshaltung sollte schon sein, dass wir von Beginn an oben mitspielen. Wohin das am Ende führt, hängt natürlich von vielen Faktoren ab – aber wir wollen ambitioniert in die Saison gehen.

Eigentlich ist die TSG Balingen ein Erzrivale. Drücken Sie ihr dennoch die Daumen für die Aufstiegsspiele, damit die Oberliga nicht noch stärker wird?

Marcel Yahyaijan: Ich persönlich habe einen guten Draht zur TSG und drücke ihnen auf jeden Fall die Daumen. Klar, sportlich wären zwei zusätzliche Derbys für uns als Verein etwas Besonderes. Aber genauso ehrlich muss man sagen: Sollte Balingen aufsteigen, hätten wir in der Oberliga einen sehr starken Konkurrenten weniger.

Schlagen manchmal zwei Herzen in Ihrer Brust, wenn es um Vertragsverlängerungen oder Neuzugänge geht, Sie aber das Geld im Blick haben müssen?

Marcel Yahyaijan: Tatsächlich sehe ich manche Dinge heute aus einer anderen Perspektive als früher, als ich noch Trainer war. Damals lag der Fokus voll auf dem sportlichen Mehrwert – heute als Funktionär muss ich stärker das Finanzielle im Blick haben. Am Ende geht es aber immer darum, die richtige Balance zu finden: zwischen sportlichem Anspruch und wirtschaftlicher Vernunft. Nur so lässt sich langfristig eine erfolgreiche Mannschaft aufbauen.

Hat der FC 08 das Geld gerade anfangs, beispielsweise durch Übernachtungen bei Auswärtsfahrten, mit zu vollen Händen ausgegeben?

Marcel Yahyaijan: Im Nachhinein hat man sicher einige Kostenstellen nicht eingeplant – und dazu kamen auch Altlasten aus der Vorsaison. Gleichzeitig ist man von höheren Einnahmen, etwa im Ticketing und Catering, ausgegangen. Das hat am Ende nicht so funktioniert wie erhofft.

Muss man sich Sorgen um den Traditionsclub machen?

Marcel Yahyaijan: Ende letzten Jahres hätte ich diese Frage ehrlich gesagt mit Ja beantwortet. Aber wir haben in diesem Jahr den Turnaround geschafft und steuern wieder in die richtige Richtung. Wichtig ist, dass wir bodenständig und nachhaltig arbeiten.