Herr Kohlund, „Der Zürich-Krimi“ hat sich mit rund sieben Millionen Zuschauern zu einem der meistgesehenen ARD-Donnerstags-Krimis entwickelt. Sind Sie stolz darauf, dass Sie immer noch so zugkräftig sind?

Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht freuen würde, dass ich mit über 70 noch eine solch schöne Rolle spielen kann. Die Industrie, egal ob es Kino oder Fernsehen ist, vergibt die Hauptrollen vor allem an die 20- bis 50-Jährigen. Als passionierter Schauspieler, der seinen Beruf nach wie vor liebt, bin ich dankbar, trotzdem noch immer das Vertrauen des Senders und die Gunst des Publikums zu genießen.

Sie sind dieser gebrochenen Anwaltsfigur Borchert vor sieben Jahren zum ersten Mal begegnet. Wie hat sich Ihre Beziehung zu ihm seither entwickelt?

Oh, die erste Vorstellung, die ich von ihm hatte, war ungefähr so, wohin wir ihn inzwischen gebracht haben. Man ist ja nicht allein. Man kämpft mit dem Drehbuch, mit der Umsetzung. Wir haben ziemlich wackelig angefangen.

Seit Roland Suso Richter in der dritten Folge die Regie übernommen hat, sind wir jedoch auf Kurs. Wir arbeiten unkonventionell, drehen die Geschichten, ohne geprobt zu haben, lassen es gleich krachen. Das ist anstrengend, weil du dich ganz anders vorbereiten musst. Du wartest nicht, was der Regisseur mit dir macht, sondern überlegst dir selbst viel mehr und kannst dich so mehr einbringen.

Was würden Sie an Borchert mögen, wenn er ein realer Mensch wäre, und woran würden Sie sich reiben?

Ich würde seine Integrität schätzen. Er ist immer bemüht, fair und gerecht zu sein. Dass er in gewissen Dingen ein bisschen komisch ist, und man sich fragt, „Was macht er denn jetzt wieder?“, muss man ihm einfach zugestehen. Er ist halt ein sturer Hund und ein ziemlich einsamer Wolf, aber wenn er gebraucht wird, dann ist er da und geht für seine Leute durchs Feuer.

Und kriegt dabei auch dieses Mal wieder eins aufs Dach …

Das ist der Running Gag. (lacht) Jedes Mal kriegt er von jemandem eins auf die Schnauze. Das mag ich ganz besonders!

Hat das bei den Dreharbeiten auch mal wirklich wehgetan?

(Hund bellt) Hebsch du jetzt mal d‘Schnörre? Chinga! (wechselt ins Hochdeutsche) Nein, du musst jetzt nicht reinreden. (Hund bellt) Aus, jetzt!

Er ist wohl eifersüchtig, dass Sie interviewt werden und er nicht.

Glaub‘ ich auch. (lacht) Aber zurück zu Ihrer Frage: Was Stunts betrifft, habe ich früher fast alles gemacht, was ging. Immer relativ gefährlich war alles zu Pferde. Mir ist zum Glück nie etwas passiert, aber in meinem direkten Umfeld gab es immer wieder Unfälle – ganz ungute Sachen.

In Indien hatten wir die Pferde mal vom Militär. Beim Galoppieren habe ich gemerkt, dass mein Pferd auf dem linken Auge nichts sah und immer nach rechts zog, weshalb der Kollege neben mir im Gebüsch gelandet ist. Wenn es jetzt drum geht, in die Limmat zu springen, habe ich jedoch einen wunderbaren tschechischen Stuntman, der die Sachen für mich macht. Man darf nicht leichtsinnig sein, sonst gefährdet man die ganze Produktion.

Thomas Borchert (Christian Kohlund) und die Anwältin Dominique Kuster (Ina Paule Klink).
Thomas Borchert (Christian Kohlund) und die Anwältin Dominique Kuster (Ina Paule Klink). | Bild: ARD Degeto/Martin Ková?

Aber der Vierteiler „Wettlauf nach Bombay“ war noch ein echtes Abenteuer?

Das können Sie laut sagen! Als wir vor 40 Jahren mit einer DC3, voll mit Material, von Neu-Delhi nach Rajasthan flogen, war jeder schon froh, dass der Flieger überhaupt abhob. Später wohnten wir beim Maharadscha von Jaipur, in dessen Palast sich gerade ein Familiendrama abgespielt hatte, weil sich der uneheliche Sohn so unmöglich benommen hatte, dass er umgebracht wurde und noch am selben Tag verbrannt werden musste.

Sie haben in Ihrer Karriere vermutlich schon einige Kulturschocks erlitten.

Die Bilder, wenn du nach 15 Stunden Flug mitten in der Armut von Bombay landest, haben mich nie losgelassen. Teilweise war es auch pervers, etwa wenn das „Traumschiff“ in Madras anlegte. Während die meisten Leute an Land gingen, wo sich die Armut in den Straßen mit Händen greifen ließ, wurde das Essen, das an Bord übrig blieb, geschreddert und ins Meer geworfen.

Allein schon für den Quotenrenner „Das Traumhotel“ sind Sie zehn Jahre lang durch die Welt gereist. Wo gefiel es Ihnen so gut, dass Sie dort auch noch Ferien verbrachten?

Es war nirgends so toll, dass ich sagte, da muss wieder hin. Wenn ich drei oder vier Wochen in einem Resort auf den Malediven, Seychellen, Mauritius oder Bali gewohnt und gedreht hatte, hatte ich viel Schönes erlebt, aber mein Bedarf an Luxus war gedeckt.

Zehn Jahre stand Christian Kohlund (links, hier 2008 mit Wolfgang Fierek) für „Das Traumhotel“ vor der Kamera.
Zehn Jahre stand Christian Kohlund (links, hier 2008 mit Wolfgang Fierek) für „Das Traumhotel“ vor der Kamera. | Bild: Ursula Düren/dpa

Ende der 80er-Jahre waren Sie einer der Frauenlieblinge bei der „Schwarzwaldklinik“, die bis zu 28 Millionen Zuschauer und Zuschauerinnen erreichte. Goldene Fernsehzeiten, auch in Sachen Gage?

Absolut nicht. Klausjürgen Wussow und Sascha Hehn haben sicher ganz gut verdient, da sie sehr viel Drehtage hatten, doch wir hatten nie amerikanische Verhältnisse. Meine Rolle war nicht groß, nur dramaturgisch nicht unwichtig. Und sie hatte den positiven Nebeneffekt, dass mein Name die Leute danach ins Theater lockte, wo ich ihnen zeigen konnte, dass ich noch viel mehr bin als der Lockenkopf, der an der Frau Doktor herumknabberte.

Sind Sie nicht in der „Schwarzwaldklinik“ einen schönen alten Sportwagen gefahren?

Ja, einen Mercedes 300 SL. Der war damals schon etwa 400.000 Franken wert. Ich musste tierisch aufpassen, dass dem Auto nichts passiert. Die Figur musste etwas haben, dass man sich erinnert. Ich sagte damals zum Regisseur, mit dem ich zuvor die Abenteuerserie „Der Glücksritter“ gemacht hatte, die Rolle wäre ja nicht überragend, aber ich würde sie spielen, wegen der Kollegen und falls der Vollmers einen Oldtimer fährt, der einem im Gedächtnis haften bleibt. So habe ich meine Figur ein bisschen geboostert! (lacht)

„Die Schwarzwaldklinik“: Christian Kohlund (von links), Alexander Wussow, Gaby Dohm, Klausjürgen Wussow, Eva Habermann und ...
„Die Schwarzwaldklinik“: Christian Kohlund (von links), Alexander Wussow, Gaby Dohm, Klausjürgen Wussow, Eva Habermann und Sascha Hehn bei Dreharbeiten 2004. | Bild: Rolf Haid/dpa

Hatten Sie auch privat eine Schwäche für solche Klassiker?

Schon immer. Zuletzt habe ich 22 Jahre ein 67er Ford Mustang Cabrio gefahren, das ich nun einem Sammler verkauft habe.

In den 60ern sind Sie in Zürich aufgewachsen, Ende der 70er haben Sie am Schauspielhaus gespielt und nun drehen Sie wieder hier. Wie erleben Sie die Stadt heute?

Es hat sich wahnsinnig viel getan. Zürich ist eine unheimlich lebendige Stadt geworden, eine internationale und extrem schöne Stadt. Einzig in Sachen Verkehr haben sich die Stadtplaner wohl erst etwas spät Gedanken zu machen begonnen.

Auf den Straßen ist es so eng, dass ich hoffe, dass die öffentlichen Verkehrsmittel noch weiter ausgebaut werden. Wenn sogar der Bundesrat mit dem Goldküstenexpress zur Arbeit fährt, funktionieren diese allerdings jetzt schon besser als in den meisten anderen Ländern.

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Wo drehen Sie den Zürich-Krimi?

Die Innenaufnahmen werden in der Regel in Prag gemacht, weil die Unterbringung unseres Teams von 80 Leuten in einer der teuersten Städte der Welt ansonsten das Budget sprengen würde.

In den Außenaufnahmen war Zürich gerade in den letzten Folgen sehr präsent. Urania, Hauptbahnhof, Europa-Allee und See. Das kommt in Deutschland wunderbar an. Als wir auf dem Münsterplatz eine Action-Szene drehten, kam das auch beim Live-Publikum sehr gut an.

Worum geht es in Ihrem 14. Fall, „Borchert und die bittere Medizin“?

Er handelt von einem Überfall auf eine Apotheke, in den sein Freund Reto verwickelt ist, und die Medikamente, die gestohlen wurden. Eine sehr komplexe Geschichte. Es gibt darin – wie meistens – viele überraschende Wendungen, aber sie hat auch einen Schluss, der einer gewissen Logik nicht entbehrt.

In welchen Produktionen wird man Sie 2022 sonst noch sehen?

Zwei weitere Folgen sind schon fertig und drei werden wir noch drehen. Die restliche Zeit reserviere ich für die Bühnenarbeit. Ich habe viele Anfragen für Lesungen in Begleitung meines Musikers Klaus Pruenster und möchte die Tournee mit Ein-Personen-Stück „Im Zweifel für den Angeklagten“ wiederaufnehmen. Mit solchen Stoffen kann ich auch etwas über mich und meine Einstellung zum Leben erzählen.

Können Sie sich vorstellen, mit Ihrer Frau aus dem Bayrischen Wald wieder nach Zürich zu ziehen?

Das war bisher kein Thema. Wobei das kein Entscheid gegen die Schweiz ist, sondern für das Refugium, das wir uns geschaffen haben, sowie die Nähe zu unseren Kindern.