„Wer hier klaut stirbt!“ steht auf mehreren kleinen Blechschildern an der Holzfassade eines Verschlags am Ende einer Straße in einer Schweizer Ortschaft nahe der Grenze zu Österreich. Der Bahnhof sieht modern aus, das Ende der Sackgasse aber eher so, als wäre schon lange niemand mehr da gewesen.

Bild 1: Ein Trödelladen voller Nazi-Plunder am Bodensee: Wie kann das legal sein?
Bild: Jann-Luca Künßberg

Das täuscht. Vor einem Kosmetikstudio stehen zwei Frauen und rauchen, und dahinter, vor der letzten Tür des Gebäudes, stehen dutzende, hauptsächlich olivgrüne Kisten. Unter einer Plane lugt das Kanonenrohr eines Flakgeschützes hervor.

Offener Handel mit NS-Devotionalien

Drinnen: Allerhand Militaria, Uniformen verschiedener Armeen und: eine große Hitler-Büste, ein Bücherregal voller signierter Ausgaben von „Mein Kampf“, ein gemeißeltes Granitstück mit der Aufschrift „Führerbunker“.

Das „St. Galler Tagblatt“ hatte zuletzt über mehrere sogenannte Brockhäuser – Antiquariate – in der Ostschweiz berichtet, die mit Nazi-Devotionalien handelten. Es ist aber kein rein schweizerisches Phänomen: Aus Tschechien zum Beispiel gibt es Berichte von ähnlichen Märkten. Und auch auf Flohmärkten in Deutschland werden immer wieder solcherlei Gegenstände gesichtet. Ist das überhaupt legal?

Kein Problem in der Schweiz?

In der Schweiz ist es Stand heute erlaubt, allerdings diskutiert die Politik über den künftigen Umgang mit der Darstellung von Symbolen wie Hakenkreuz und SS-Runen. Auch in Deutschland ist der Verkauf nicht illegal, solange verfassungswidrige Symbole abgeklebt sind. Das Strafgesetzbuch verbietet die öffentliche Verwendung und Ausstellung solcher Zeichen, nicht aber deren Besitz.

Anders sieht es aus, sollen solche Gegenstände aus dem Ausland nach Deutschland importiert werden, das ist genauso verboten wie die Ausfuhr.

Allerdings kommt es auch in Deutschland immer wieder zu Vorfällen. 2019 etwa versteigerte ein Münchner Auktionshaus Besitzstücke von Hitler. Menachem Margolin, Präsident der European Jewish Association, forderte die Bundesregierung damals auf, die Versteigerung von Nazigegenständen stärker zu kontrollieren. Auktionshäuser sollten offenlegen, wer die Objekte kauft, damit die Käufer überwacht werden könnten.

Kaum Importverstöße in der Region

In der südbadischen Grenzregion gibt es laut Zoll aber kaum Probleme mit dem länderübergreifenden Handel solcher Waren: „Bei Aufgriffen im Rahmen von Importkontrollen spielen und spielten antiquarisch gehandelten Nazi-Memorabilia in den letzten Jahren im Bezirk des Hauptzollamts Singen kaum eine Rolle“, heißt es auf Anfrage.

Der Händler will eigentlich nicht darüber reden

Zurück in der Schweizer Ortschaft am Bodensee. Das Geschäft in dem Schuppen gehört Angelo R.. Mehrere Medien hatten zuletzt über seinen skurrilen Handel berichtet, R. geriert sich dort als historisch interessierter Sammler. So kam er zu einer zweifelhaften Prominenz – weswegen er hier nur abkürzt genannt ist und der genaue Ort seines Ladens nicht aufgeführt wird.

Denn R. hat noch mehr: Eine schwerkriminelle Vergangenheit. Sie spielte in anderen Berichten allerdings keine Rolle. Angelo R. ist dennoch nicht einverstanden damit, wie er in diesen Berichten dargestellt wird, deswegen will er eigentlich keine Fragen mehr beantworten.

Bild 2: Ein Trödelladen voller Nazi-Plunder am Bodensee: Wie kann das legal sein?
Bild: Jann-Luca Künßberg

Dafür lässt er aber einen ganz schönen Redeschwall los. Er sei bedroht worden nach den Berichten, sagt R., von der Antifa etwa. „Da habe ich aber keine Angst, da vorne ist gleich die Polizeistation und der Zoll, zu denen habe ich guten Kontakt.“ Und er könne auch eine Sache oder zwei: „Sollen die doch kommen.“

Genaueres zu den Bedrohungen sagt er nicht beim Gespräch in seinem Laden, auch eine spätere Anfrage des SÜDKURIER dazu lässt er unbeantwortet.

Schwerkriminelle Vergangenheit

Angelo R. galt in der Schweiz mal als schillernder Waffenhändler, „aber einer von der unguten Sorte“. So hatte ihn ein österreichischer Staatsanwalt bezeichnet, nach dem der St. Galler R. mehrere illegale Waffen von einem ehemaligen Kommunalpolitiker der rechtspopulistischen FPÖ kaufen wollte.

Eine lebensgroße Hitler-Statue ist eines von vielen mindestens eigenartigen Verkaufsobjekte in dem Laden.
Eine lebensgroße Hitler-Statue ist eines von vielen mindestens eigenartigen Verkaufsobjekte in dem Laden. | Bild: Raphael Rohner/St. Galler Tagblatt

Das Geschäft platzte, weil ein österreichisches Sondereinsatzkommando die Übergabe stürmte. Es war nicht das erste Vergehen von R.. Und auch nicht das schlimmste.

Eine 13-Jährige stirbt

Im November 1996 sitzt die 13-jährige Nadja Stieger am Küchentisch in der Wohnung ihrer Mutter und öffnet ein Paket. Eine selbst gebastelte Bombe explodiert, das Mädchen stirbt. Das Paket war eigentlich für ihre Mutter gedacht und kam von deren Ex-Mann. Die jugoslawische Splittergranate im Paket stammte von Angelo R.. Mehrere Beteiligte kommen hinter Gitter, R. bekommt wegen der Beihilfe zum Mord elf Jahre. So ist es in Schweizer Medien nachzulesen. Inzwischen ist er wieder ein freier Mann.

Angelo R. beteuert immer wieder: Er sei kein Nazi, ebenso wenig seine Kunden, unter denen sich Staatsanwälte und Polizisten befänden. Überprüfen lässt sich das nicht. R.‘ Bild von „Nazis“ entspricht dabei aber dem der 1990er-Jahre – Glatze und Springerstiefel. Und die könnten sich seine wertvollen Sammlerstücke ohnehin nicht leisten, glaubt er. „Wenn hier jemand kommt und nach irgendetwas Kleinem für 100 Franken fragt, schmeiß‘ ich den raus“, sagt R.

Adolf Hitler nennt er konsequent beim Vornamen

Für die allermeisten Gegenstände in seinem Laden ruft R. ganz andere Preise auf und schon die Namen sind mindestens eigenartig: Der „Original Kinderhelm 3. Reich arsch selten“ für 448 Franken oder die „Sympathisanten Gürtelschnalle 3. Reich“ für 678 Franken gehören zu den Schnäppchen, ein Helm der Luftwaffe kostet auch schon mal knapp 2000 Franken, ein SS-Offiziersdegen mit Inschrift fast 4500 Franken.

Die „Führerbunker“-Tafel samt Reichsadler und Hakenkreuz ist im Online-Shop als reserviert vermerkt, eine Bronzebüste von „Adolf“ – Angelo R. nennt den Massenmörder konsequent beim Vornamen – ist dort als Tipp markiert. All das ist in der Schweiz vollkommen legal.

Anfragen beantwortet er nicht

R. versucht im Gespräch immer wieder, auf die eigene Unbescholtenheit und die seiner Kunden hinzuweisen: „Die stehen mit beiden Beinen im Leben“, sagt er dann wieder und wieder. Dass das nicht alles stimmen kann, zeigt schon der Blick in seine Vergangenheit. Wie das zusammenpasst?

Anruf bei R. Mit dem Sachverhalt konfrontiert, sagt er: „Erzähl nicht so einen Scheiß, Idiot“ und legt auf. Auch auf eine weitere schriftliche Nachfrage reagiert er nicht.

Und wie reagiert die Schweiz? Sie ringt weiter um den richtigen Umgang. Im Mai 2023 stimmte der Nationalrat dafür, Nazi-Symbole im öffentlichen Raum ausnahmslos zu verbieten. Doch im Dezember entschied der Ständerat sich dagegen. Die Debatte geht also weiter – und damit der Verkauf von Nazi-Fanartikeln.