Es klingt wie die Handlung eines Science-Fiction-Film: Ein Mensch lässt sich nach seinem Tod einfrieren, um sich in der Zukunft auftauen und wieder zum Leben erwecken zu lassen. Patrick Burgermeister glaubt daran, dass die Wissenschaft eines Tages soweit sein wird.

Der Neurobiologe aus Basel hat deshalb 2019 mit fünf weiteren Personen eine Stiftung gegründet. In der Lottstetter Nachbargemeinde Rafz im Kanton Zürich baut die European Biostasis Foundation (EBF) im neuen Industriepark neben dem Bahnhof für rund drei Millionen Franken die erste Kryonikanlage Europas.

Bislang müssen sich Menschen, die die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod nicht haben, nach ihrem Ableben in die USA transportieren lassen. Dort gibt es zwei Organisationen, die Tote in speziell dafür konstruierten Kühleinrichtungen aufbewahren. Nach der Fertigstellung von Patrick Burgermeisters Kryonikanlage soll dies auch in Europa möglich sein.

Burgermeister hat Wirtschaft und Molekularbiologie studiert und bezeichnet sich als wissenschaftlich getriebener Optimist. Die EBF widme sich der weltweiten Forschung in den Bereichen Biostase, Kryobiologie und Biokonservierung. Biostase ist ein biomedizinisches Verfahren, das Technologien verwendet, um Gewebe für Jahrzehnte oder Jahrhunderte vor dem Abbau zu erhalten und zu schützen. Diese Methode wird bereits bei Eizellen und Spermien angewendet.

Der Basler Neurobiologe Patrick Burgermeister baut in Rafz eine Gefrieranlage für Tote.
Der Basler Neurobiologe Patrick Burgermeister baut in Rafz eine Gefrieranlage für Tote. | Bild: C. Kemmer

Der Tätigkeitsschwerpunkt in Rafz liegt laut Patrick Burgermeister in der Verbesserung der Biokonservierung von Zellen, Gewebe und Organmaterial, wodurch Transplantationsorgane länger haltbar gemacht werden können. Um Gewebeschäden zu vermeiden, erfolgt die Konservierung mit gekühlten Aufbewahrungsmethoden und speziellen Flüssigkeiten.

In Rafz werden auch Zellen, Gewebe und Organe gelagert, die zu Lebzeiten von Personen zu Forschungszwecken gespendet wurden. Einen kompletten Körper wie Spenderorgane in der Transplantationsmedizin durch Abkühlung eine längere Zeit vor dem Verfall zu schützen, sei bisher noch nicht gelungen.

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Nach dem Tod eines Menschen finden Verfallprozesse statt, die noch nicht rückgängig gemacht werden können. Beim Auftauen von größeren Organismen lässt es sich auch noch nicht vermeiden, dass kritische Temperaturen überschritten werden, die zur strukturellen Veränderung von Eiweiß führen. Zudem kann das Gewebe beim Auftauen aufgrund der Sauerstoffunterversorgung absterben.

Wie lang soll die Lagerung dauern?

Deshalb plant die EBF, menschliche Körper in speziellen Kryobehältern zu lagern, die mit flüssigem Stickstoff gefüllt sind. „Es ist noch nicht genau absehbar, wann diese Dienstleistung genutzt werden kann“, sagt Patrick Burgermeister auf Anfrage des SÜDKURIER.

Um darauf vorbereitet zu sein, wird vorab wohl ein einzelner sogenannter Drawer (Kühlbehälter) im Untergeschoss des Neubaus aufgestellt. „Die technischen und wissenschaftlichen Hürden für die Biostase sind enorm, daher glaube ich, dass es trotz des beschleunigenden Fortschritts noch über 50 Jahre gehen wird, bis man an ein Zurückholen denken kann“, meint Burgermeister.

Was kostet die Lagerung?

Die EBF sei offen für alle Nationalitäten, und eine Lagerung koste zwischen 200.000 und 300.000 Euro. Burgermeister empfiehlt, diesen Betrag frühzeitig über eine Risiko-Lebensversicherung abzudecken. In Deutschland sieht das Friedhofsgesetz allerdings eine Bestattungspflicht vor. „Eine Körperspende zu Forschungszwecken ist auch in Deutschland möglich, doch vermutlich nicht die Lagerung“, sagt Burgermeister.

Das Cryonics Institute in Michigan (USA) hat Behälter, in denen Tote bei minus 196 Grad in flüssigem Stickstoff gelagert werden.
Das Cryonics Institute in Michigan (USA) hat Behälter, in denen Tote bei minus 196 Grad in flüssigem Stickstoff gelagert werden. | Bild: Cryionics Institute/EPA/dpa

In den USA und Russland hätten sich bereits etwa 400 Personen einfrieren und konservieren lassen. „Es wurden jüngst auch Institute in Australien und China lanciert“, weiß Burgermeister. Bei der Kryokonservierung werde nach dem Tod eines Menschen der Stoffwechsel möglichst schnell und schonend komplett angehalten, um den Körper vor dem Zerfallsprozess zu schützen, damit er irgendwann einmal mit neuen medizinischen Möglichkeiten wieder zum Leben erweckt werden könne.

Die erste Kryokonservierung eines Menschen erfolgte laut Burgermeisters Informationen 1967 bei James Bedford, der in der Alcor Life Extension Foundation im US Bundesstaat Arizona gelagert werde.

Wie funktioniert das Einfrieren?

Sobald ein Mensch klinisch tot ist, werde der Körper schrittweise auf eine Temperatur von minus 196 Grad Celsius heruntergekühlt. Zuvor werde bereits im Krankenhaus oder einer Ambulanz von einem Stand-by-Team das Blut entzogen und eine mit Frostschutz vergleichbare Infusion in die Arterien geleitet, damit sich beim Einfrieren keine zellschädigenden Eiskristalle bilden. Der eingefrorene Körper werde dann in einem Tank mit flüssigem Stickstoff gelagert, wodurch der Verwesungsprozess unterbrochen werde.

Für Burgermeister ist die Kyrokonservierung eine experimentelle medizinische Methode – eine Art Ambulanz in die Zukunft, die durchaus eine Alternative zu Erdbestattung und Einäscherung sein könne. „Religionen geben mir nicht den Trost, den andere darin finden“, sagt er. Er sieht die Biostase aber nicht als Konkurrenz dazu. Burgermeister: „Die Menschen werden weiterhin sterben, aber mit der Biostase hat man eine zugegebenermaßen kleine Chance auf eine zweite Zeit auf Erden.“

Warum der Standort Rafz?

Die Stiftung EBF, die weltweit Forschungsprojekte leitet und koordiniert, habe den Standort Rafz aufgrund der Nähe zu anderen Forschungsinstituten in Zürich, Basel und Tübingen gewählt. Der Rafzer Gemeinderat hat im Oktober 2020 die Bewilligung für das neue Forschungsgebäude mit einer Nutzfläche von 630 Quadratmetern erteilt.

Im oberirdischen Teil werden Büros, medizinische Einrichtungen und Laborräume untergebracht. Tiefgekühlte menschliche Körper und Körperteile werden unterirdisch aufbewahrt. Zudem gibt es eine Fahrzeuggarage, Abstellraum und Lobby. Mittelfristig sollen bis zu zehn Arbeitsplätze in den Bereichen Forschung und Administration entstehen.

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