
Mit ungeheurer Wucht stürzen die Wassermassen über die Felsen des Rheinfalls. „So habe ich das noch nie erlebt“, sagt Dirk Tatze. Seit sechs Jahren ist er Bootsführer am Schweizer Rheinfall, einem der größten Wasserfälle Europas.

Wegen der heftigen Regenfälle am Wochenende kam es vielerorts in Süddeutschland zum Hochwasser. Auch Bodensee und Rhein haben ordentlich an Wasser zugelegt. Das wirkt sich auch auf den Rheinfall aus: Am Dienstag, 4. Juni, stürzten ganze 868 Kubikmeter pro Sekunde den Rheinfall hinunter, also 868.000 Liter.
Das Monatsmittel für Juni liegt laut Angaben des Schweizer Bundesamtes für Umwelt bei knapp 600 Kubikmetern pro Sekunde. In den kommenden Tagen soll der Abfluss laut dessen Prognose sogar noch leicht steigen, auf mehr als 900 Kubikmeter.
Das Ergebnis ist ein spektakuläres und ohrenbetäubendes Naturschauspiel. Es bringt aber auch viel Treibholz mit sich und macht Änderungen im Fahrplan der Schiffe notwendig, wie Tatze berichtet. Sein blaues Boot mit der Nummer vier kann er zwar weiterhin fahren, muss aber stellenweise eine andere Route nehmen als sonst.

Die Schifffahrt zum großen Felsen, der mitten im Rheinfall steht und von den Wassermassen umspült wird, fällt vorerst ganz aus. Sobald der Wasserabfluss über 700 Kubikmeter die Sekunde erreicht, ist der Fels für Besucher gesperrt, erklärt Andrea Kummer, Mitarbeiterin in der Touristeninformation. „Das ist dort schon ein bisschen gefährlich“, so Kummer. „Außerdem würden die Leute definitiv nass werden.“
Trotz der Sperrung rechnet sie derzeit mit noch mehr Besuchern als sonst, insbesondere aus der näheren Umgebung. Während geführte Gruppen ihren Ausflug zum Rheinfall im Voraus buchen und somit ihren Besuch nicht sehr kurzfristig auf die sich verändernden Wassermassen ausrichten können, können Personen aus der Region spontaner vorbeischauen.
„Für die Leute hier ist das schon ein Hingucker. Das sieht wirklich imposant aus mit dem vielen Wasser,“ sagt Kummer.
Für Rolf Hurni und Ramona Lang waren die großen Wassermengen auf jeden Fall ein Anreiz, um den Rheinfall zu besuchen. Die beiden waren schon ein paar mal hier und haben den Rheinfall auch schon mit besonders wenig Wasser gesehen. „Der Unterschied zu jetzt ist heftig“, sagt Rolf Hurni. „Das ist sehr beeindruckend“, pflichtet ihm Ramona Lang bei.

Auch Raffaele Marino aus Schaffhausen hat den Rheinfall schon häufiger besucht und kann so einen Vergleich ziehen: „Heute ist es besonders viel Wasser. Das ist echt ein schönes Schauspiel.“ Sein Fahrrad hat der Schaffhausener heute das erste Mal dabei und möchte damit die gesamte Rheinfall-Runde bewältigen.

Trotz des Besucherandrangs hat Bootsführer Tatze auch Bedenken mit Blick auf den Wasserstand. „Wenn der Pegel noch weitere zehn bis 15 Zentimeter steigt, dann wird die Landestelle der Boote überflutet“, macht Tatze deutlich.

Dann müsse man überlegen, wie es weitergeht. Abgesehen davon mache man sich aktuell aber noch keine Sorgen wegen des Hochwassers, erzählt Kummer. „Überschwemmungen können wir hier keine haben.“