Unter den vielen Regeln, die uns die Corona-Pandemie gebracht hat, ist sie eine der beliebtesten: die Vorgabe, dass Grenzgängern keine sozialversicherungsrechtlichen Nachteile haben, wenn sie komplett im Homeoffice bleiben. Denn vor Corona war klar: Wer mehr als 25 Prozent seiner Arbeitszeit vom deutschen Heimbüro aus arbeitet, muss sich auch hier sozialversichern, selbst wenn er die restlichen 75 Prozent in der Schweiz verbringt.
Durch Grenzschließungen und Kontaktverbote in der Pandemie wurde diese Regel ad absurdum geführt und dementsprechend aufgehoben. 100 Prozent Homeoffice waren so ohne versicherungsrechtliche Nachteile möglich. Das ermöglichten Ausnahmeregelungen zwischen Deutschland und der Schweiz, die immer wieder für sechs Monate verlängert wurden. Auch derzeit gilt dieses Abkommen noch, es läuft allerdings Ende Juni aus. Schon jetzt ist klar: In dieser Form wird es nicht mehr verlängert werden.
Dauerlösung für Grenzgänger soll her
Allerdings verkündete das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schon bei der letzten Verlängerung im November 2022, dass an einer Dauerlösung gearbeitet werden und diese Verhandlungen zwischen der Schweiz und Deutschland „gut fortgeschritten“ seien. Das bestätigt auch der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) auf eine aktuelle SÜDKURIER-Anfrage. Beim GKV ist die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) angesiedelt, sie führt diese Verhandlungen.
Eine GKV-Sprecherin erklärt allerdings, dass nicht nur an einer deutsch-Schweizer Einigung gearbeitet werde, sondern auch an einer auf EU-Ebene. Sollte diese scheitern oder von Deutschland oder der Schweiz nicht unterschrieben werden, soll doch eine Lösung auf Länderebene gefunden werden. Tiefer eintauchen in diese politischen Abläufe müssen Grenzgänger jedoch nicht – das Resultat dürfte so oder so sehr ähnlich sein.
Weniger als 50 Prozent Homeoffice
Konkret sehe die Einigung auf EU-Ebene einen Homeoffice-Anteil von weniger als 50 Prozent vor, erklärt die GKV-Sprecherin. Klartext: Deutsche Grenzgänger in die Schweiz dürften ab Juli rein rechnerisch 49,9 Prozent von zu Hause aus arbeiten.
Dazu sagt die Sprecherin: Die Staaten seien sich einig, „dass es nicht möglich ist, von den in einem demokratischen Gesetzgebungsprozess zustande gekommenen Regeln zu stark abzuweichen“. Damit nimmt sie Bezug auf die 25-Prozent-Regel vor Corona.
Sollte die EU-Einigung scheitern und es zu einem Einzelabkommen mit der Schweiz kommen, dürfte der Anteil auch nicht höher ausfallen als die geplanten 49,9 Prozent. Denn diese Abkommen hat die DVKA schon mit Tschechien und Österreich geschlossen – hier sind maximal 40 Prozent Homeoffice ohne sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen möglich.
Kurzum: Für alle, die bisher drei von fünf Tagen oder mehr im Homeoffice verbracht haben, sieht es ab Juli eher schlecht aus. Und langfristige Sicherheit gibt es nicht: Wie die GKV-Sprecherin erklärt, wäre selbst die EU-Einigung nur eine vorerst auf fünf Jahre befristete Übergangslösung, bis dann die eigentliche, die Sozialversicherungspflicht regelnde EG-Verordnung reformiert ist. Der Zeitrahmen: „langfristig“. Bis dahin wird also noch viel Kaffee durch den heimischen Vollautomaten laufen.