Das Reden fiel ihm wegen eines Schlaganfalls schwer. Immer wieder suchte er nach dem richtigen Wort, um den Satz zu beenden. Vor dem Bezirksgericht Laufenburg musste sich ein 64-jähriger Deutscher verantworten, weil er das Café Kronenhof in Rheinfelden mit einem Jagdmesser ausgeraubt haben soll. Die „Neue Fricktaler Zeitung“ berichtete über den Überfall, der sich am Morgen des 11. Februars ereignete.
Die Tat gleicht einem Horrorfilm
„Es tut mir schrecklich leid, was ich der Frau angetan haben. Ich möchte mich von Herzen bei ihr entschuldigen“, gab sich der Beschuldigte geläutert. Für eine Angestellte, die sich zum Zeitpunkt des Raubüberfalls alleine im Café befand, glich die Tat einem Horrorfilm. Zunächst ging sie davon aus, dass es sich beim Beschuldigten um einen gewöhnlichen Kunden handle. Doch dann richtete dieser das Messer drohend gegen sie, wie die Staatsanwältin ausführte. In der Folge sei es zu einer Rangelei gekommen, im Zuge derer der Beschuldigte Stichbewegungen in Richtung Kopf- und Halsbereich des Opfers ausgeführt habe.
Nur durch Zufall keine tödlichen Verletzungen
„Lediglich dem Zufall ist es zu verdanken, dass das Opfer keine tödlichen Verletzungen erlitten hatte“, so die Staatsanwältin. Ein rechtsmedizinisches Institut gelangte zur gleichen Ansicht. Etwa durchtrennte der Beschuldigte der Angestellten mit dem Messer die Haut hinter dem Ohr.
Der Beschuldigte flüchtet mit Geld und Wertvollem
Nach dem Angriff flüchtete der Beschuldigte mit einem Weissgold-Ring mit Diamanten, 2000 Franken Bargeld und 150 Feldschösschen-Getränkegutscheinen in Richtung Marktgasse. Zuvor soll er noch mit dem Messer vor einer Privatperson, die sich vor dem Café befand, herumgefuchtelt haben, wie die Staatsanwältin ausführte.
Die Staatsanwältin fordert fünfeinhalb Jahre
Sie forderte für den Beschuldigten, der derzeit im Zentralgefängnis Lenzburg sitzt, eine Freiheitsstrafe von 5,5 Jahren sowie einen Landesverweis über zwölf Jahre. Denn nicht nur den qualifizierten Raub auf das Café soll er begangen haben. Auch soll er einige Wochen zuvor versucht haben, in Rheinfelden und Kaiseraugst in Häuser einzubrechen. DNA-Spuren, die von dem Beschuldigten gesichert wurden, belasten ihn schwer.
Beschuldigter wollte Grab des Bruders besuchen
Der Beschuldigte, der zum Zeitpunkt der Taten in Deutschland wohnte, erzählte, dass er in die Schweiz fuhr, um seinen verstorbenen Bruder zu besuchen, der in Zürich beerdigt sei. Die Grenze zur Schweiz habe er immer in Rheinfelden passiert. Wegen seines Schlaganfalls könne er sich an die Taten nicht mehr erinnern. Auch nicht an den Raubüberfall. Nur, dass er in Rheinfelden eine Pause von der Fahrt gemacht habe. „Ich wollte dort einen Kaffee trinken. Das Zeugs an der Raststätte wie Red Bull schmeckt mir nicht“, sagte er.
Keine Waffe, sondern ein Küchenmesser
Eine besondere Gefährlichkeit, so der Verteidiger, habe beim Angriff nicht vorgelegen. So habe es sich beim Messer, gemäß Aussage der Zeugin, um keine Waffe, sondern um ein Küchenmesser gehandelt. Zudem seien die Verletzungen des Opfers im Kontext der körperlichen Auseinandersetzung erfolgt. Somit läge kein qualifizierter Raub, sondern räuberischer Diebstahl vor. Der Verteidiger forderte sodann, die Haftstrafe für den Beschuldigten auf zwei Jahre herabzusetzen.
So urteilt das Bezirksgericht
Das Bezirksgericht sprach der Angeklagten schuldig im Sinne der Anklage und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, einem Landesverweis über zehn Jahre. Zudem hat der Beschuldigte an das Opfer, das sich als Zivil- und Strafklägerin konstituierte, eine Genugtuung von 5000 Franken zu zahlen.
Das Geschehen war nicht mehr kontrollierbar
Gemäß Gerichtspräsident Beat Ackle sei es für das Gericht von untergeordneter Bedeutung gewesen, dass das Messer nicht als Waffe unter die Waffengesetzgebung fällt. Denn so habe die Staatsanwaltschaft die besondere Gefährlichkeit angeklagt. Und diese sei gegeben gewesen. Wann der Beschuldigte den Vorsatz gefasst habe, mit dem Messer ins Café zu gehen, bliebe unklar. Klar sei aber, dass er mit diesem die Herausgabe von Vermögenswerten bewirken wollte.
„Wir haben mitbekommen, dass sie sich in einer ruhigen Umgebung gut ausdrücken können. Unter Stress jedoch nicht. Diese Situation war eine Stresssituation und sie haben nonverbal Druck auf das Opfer ausgeübt – so dass dieses Todesangst hatte“, sagte Ackle.
Ebenso gut, so Ackle weiter, hätte es statt des Ohrs die Halsschlagader des Opfers treffen können. Das Opfer habe glaubhaft den Ablauf des Geschehens geschildert. „Aus Sicht des Gerichts bestand Lebensgefahr, weil das Geschehen nicht kontrollierbar war. Darum ist die besondere Gefährlichkeit klar bewiesen“, so Ackle.
Der Autor ist Redakteur der „Aargauer Zeitung“, dort ist der Beitrag zuerst erschienen.