Nicht nur in Konstanz, sondern auch in der Nachbarstadt Kreuzlingen erhalten immer mehr Straßen ein Schild, auf dem die Zahl 30 prangt. Das hat mit der Strategie des Kantons Thurgau zu tun, Straßenlärm zu reduzieren und Anwohner zu entlasten. Zwar regt sich Widerstand seitens der Rechtsaußenpartei Aufrecht Thurgau in Person des Kreuzlinger Gemeinderats Georg Schulthess. Doch wird seinem Vorstoß gegen Tempo 30 nicht viel Erfolg eingeräumt.
Kreuzlingen tritt schon länger auf die Bremse
Kreuzlingen hat längst flächendeckend in den Quartieren Tempo 30 eingeführt. Dort ist das Schneckentempo größtenteils akzeptiert. Diskutiert werden allenfalls noch die Schwellen und Verengungen. Kreuzlingens Bau-Stadtrat Ernst Zülle erklärt, dass bereits vor 20 Jahren in den Wohnquartieren Tempo 30 mit ganz wenigen Ausnahmen eingeführt worden sei.

Er fährt fort: „Wir führen im Sinne eines Monitorings regelmäßig Verkehrsmessungen in den Tempo-30-Zonen durch. Wo große Geschwindigkeitsüberschreitungen feststellbar sind, werden weitere Maßnahmen zur Stärkung der Tempo-30-Zone geprüft und umgesetzt.“ Damit meint er beispielsweise die Langhaldenstraße. Ebenfalls werde im Zuge von erforderlichen Straßensanierungen geprüft, ob zusätzliche Maßnahmen zur Stärkung der Tempo-30-Zonen umgesetzt werden können, etwa in der Wasenstraße und der Rebenstraße.
Diese Straßen könnten Tempo 30 bekommen
In der Stadt gibt es noch Potenzial für Tempo 30. Zülle: „Zurzeit prüfen wir, ob an der Hauptstraße, zwischen Löwenkreisel und Blauhauskreisel und auf der Remisbergstraße, zwischen Hauptstraße und Remisbergkreisel Tempo 30 eingeführt werden könnte.“ Weitere Zonen seien zurzeit nicht geplant.
„Die Erfahrungen und Rückmeldungen sind durchwegs positiv. Viele Bürgerinnen und Bürger schätzen, dass wir bereits vor Jahren in den Wohnquartieren großflächig Tempo 30 eingeführt haben.“ Und im Gegensatz zu jenen, die wieder Tempo 50 fordern, sagt Zülle: „Wir erhalten jedoch immer wieder Rückmeldungen, dass in den vorhandenen Tempo-30-Zonen weitere Maßnahmen zur Temporeduktion geprüft und umgesetzt werden sollen.“
Nur wenige Kontrollen
Kontrollen, ob die Geschwindigkeitsbegrenzung auch eingehalten wird, gibt es nur wenige. Zülle sagt, „aufgrund unserer regelmäßigen Verkehrsmessungen haben wir festgestellt, dass in den Wohngebieten Tempo 30 heute akzeptiert und meist gut eingehalten wird.“ Bei namhaften Überschreitungen und wenn die baulichen Maßnahmen bereits ausgeschöpft seien, könnte man bei der Kantonspolizei Radarkontrollen beantragen, „dies kommt in den Wohnquartieren jedoch eher selten vor.“
Die jüngste Tempo-30-Zone ist die Bergstraße. Zülle erklärt, dass man damit die gesetzlichen Lärmvorschriften einhalte. „Der Einbau eines lärmarmen Belags, eines sogenannten Flüsterbelag, kam aufgrund der Steigung und der vielen Kurven nicht infrage, da die Dauerhaftigkeit nicht gewährleistet wird und somit die lärmreduzierende Wirkung zu schnell verloren ginge.“ Deshalb habe der Kanton die Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde reduziert.
Aus Gewohnheit zu schnell gefahren
Ja, anfänglich habe man sich an die neue Geschwindigkeit gewöhnen müssen, sagt Zülle: „Ich selber fuhr aus Gewohnheit schon zu schnell und wurde mit Recht gebüßt.“ Mittlerweile würden die meisten Autofahrer die kurze Strecke korrekt befahren. Der Zeitverlust sei kaum spürbar und man sorge für weniger Verkehrslärm und mehr Sicherheit. Und für Lastwagen bestehe hier ohnehin schon länger eine Temporeduktion auf 30 Kilometer pro Stunde.
Zülle verweist schließlich nochmals auf den kommunalen Richtplan. Entsprechend sei für die Löwenstraße, die Bärenstraße, die Romanshorner Straße im Abschnitt Kurzrickenbach, die Brunnenstraße und die Hauptstraße eine Reduktion auf Tempo 30 angedacht, auf weiteren Hauptverkehrsachsen aber nicht.
Ist Tempo 30 nur eine Übergangsphase?
Fahrradfahrer oder auch E-Autos sind erheblich leiser unterwegs als Fahrzeuge mit Verbrenner-Motor. Sind die Reduktionen also nur eine Übergangsphase? Zülle sagt: „Nein. Mit der E-Mobilität hat die Reduktion auf Tempo 30 wenig zu tun. Bei Geschwindigkeiten über 30 km/h sind die Abrollgeräusche der Pneus jetzt schon lauter als die heutigen Motoren.“ Radfahrer müssten übrigens die Geschwindigkeiten ebenfalls einhalten.
Kritik sei Auslaufmodell
Proteststimmen gegen Tempo 30 sind für Zülle ein Auslaufmodell. „Diese Stimmen werden von Generation zu Generation weniger.“ In den 1960er- und 1970er-Jahren habe man die Straßen für den motorisierten Individualverkehr gebaut. „Es gab damals natürlich noch weniger Autos.“
Heute habe ein Umdenken stattgefunden. Die Straßen würden für alle Verkehrsteilnehmenden, seien es Auto-, Radfahrer oder Fußgänger, gebaut. Zülle ergänzt: „Kommt hinzu, dass man mit der zunehmenden Verdichtung in den Städten immer näher zusammenlebt. Also auch Anwohner fordern mit Recht ruhigere, sichere Straßen mit mehr Aufenthaltsqualität.“
Stefan Borkert ist Autor unserer Partnerzeitung – der „Thurgauer Zeitung“. Dort ist der Text zuerst erschienen.