Die Gemeinde Tegerfelden weiß nicht, wie ihr geschieht. Da organisierten Rechtsextreme im örtlichen Weinmuseum einen Anlass, die Polizei löst diesen auf und die Gemeinde steht plötzlich in den Schlagzeilen. Nun, drei Tage später, reagiert auch der Gemeinderat des knapp 1300 Einwohner zählenden Dorfs. Er will nicht schweigen.

Der Anlass sorgt international für Schlagzeilen
Denn der Anlass sorgte für internationale Schlagzeilen: Am Samstag, 16. März, löste die Kantonspolizei eine Veranstaltung der rechtsextremen „Jungen Tat“ mit rund 100 Anhängern im Aargauisch Kantonalen Weinbaumuseum in Tegerfelden auf. Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner, der einen Vortrag über die sogenannte Remigration – also die millionenfache Abschiebung von Menschen – hielt, wurde des Kantonsgebiets verwiesen. Seither beschäftigen die Vorkommnisse die Schweiz und das Ausland.

So begründet die Polizei die Maßnahmen
Die ‚Aargauer Zeitung‘ (AZ) schrieb dazu am 17. März: „In einer heimlichen Aktion tauchte der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner im Aargau auf.“ Die Auflösung der Versammlung und Sellners Ausweisung aus dem Kantonsgebiet habe die Polizei so begründet: „Zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Verhinderung von Konfrontationen mit Personen der Gegenseite.“ Eine Anreise von politischen Gegnern sei zudem verhindert worden.
Sellners Auftritt schlägt hohe Wellen
Die Kantonspolizei Zürich habe im Vorfeld von Fedpol schon eine Einreisesperre für Martin Sellner gefordert. Die Behörden seien zunächst davon ausgegangen, dass das nur Anhängern mitgeteilte, sonst geheim gehaltene Treffen in einer anderen Region stattfinden würde. Der AZ zufolge schlug die Nachricht von Sellners Auftritt hohe Wellen.
In einer Pressemitteilung erklärt der Gemeinderat nun, dass er im Zusammenhang mit den Ereignissen im Weinbaumuseum vom Samstag klarstellen möchte, „dass er sich von allen extremistischen Anlässen entschieden distanziert“. Weiter schreibt er: „Wir setzen uns für ein friedliches und respektvolles Miteinander in unserer Gemeinde ein und verurteilen jegliche Form von Extremismus auf das Schärfste.“
Auf Anfrage ergänzt Gemeindeammann Reto Merkli (parteilos), dass er nicht glaube, dass der Anlass einen negativen Einfluss auf das Image des Dorfes habe. „Dass die Veranstaltung in Tegerfelden stattgefunden hat, ist reiner Zufall.“
Auch der Museumsverein distanziert sich
Die „Junge Tat“ habe bei der Reservierung des Kulturraums im Weinbaumuseum den Verein hinter dem Museum über den Inhalt des Anlasses hinters Licht geführt. Als Veranstaltungsgrund hätten die Organisatoren eine „Podiumsdiskussion zu Entwicklungshilfe und Migration“ mit Vorträgen zu diesen Themen angegeben.
Gegenüber dieser Zeitung distanzierte sich der Verein vom Anlass. „Wenn wir gewusst hätten, wer hinter dem Gesuch steckt und was der wahre Inhalt der Veranstaltung ist, hätten wir es nicht bewilligt“, wird Jurina Slavicek, Leiterin der Geschäftsstelle des Vereins, im AZ-Beitrag vom 17. März zitiert.
Vom echten Inhalt der Veranstaltung habe der Verein dann von der Polizei, die nach dem Namen des Antragstellers gefragt hatte, erfahren. Der Verein hatte das Mietverhältnis noch am Samstag mit der Polizei vor Ort aufgelöst. Die Teilnehmer verließen das Lokal aber erst, als die Stromversorgung auf Anraten der Polizei unterbrochen worden war.
Kommentare von der Jungen SVP und Elon Musk
Noch am selben Tag rief die Junge SVP Aargau auf der Social-Media-Plattform X zu Solidarität mit Martin Sellner auf und schrieb von einem „schwarzen Tag für unsere Demokratie und die Meinungsfreiheit“. Sogar Tesla-Gründer Elon Musk äußerte sich auf seiner Plattform zum Vorgehen der Kantonspolizei. „Ist das legal?“, antwortete Musk auf einen Beitrag Sellners. Dieser hatte von einem „Pushback“, also einer Wegweisung aus der Schweiz, durch die Aargauer Kantonspolizei berichtet und die Aktion eine „Schande für die Schweizer Demokratie“ genannt.
Regierungsrat und Großrätin beziehen Stellung
Am Montag verteidigte Regierungsrat Dieter Egli (SP) das Vorgehen der Polizei: Die Auflösung der Veranstaltung sei kein politischer, sondern ein polizeitaktischer Entscheid gewesen. Die Meldung verbreitete sich auch in den deutschen Medien. Die Tageszeitung „Taz“ titelte ironisch: „Sellner muss remigrieren„.
Am Dienstag verlas Großrätin Mia Jenni während der Parlamentssitzung im Namen der SP-Fraktion eine Stellungnahme zur Polizeiaktion vom Wochenende: Remigration sei völkisch, die Verbreitung der Idee tödlich. Das hätten frühere Terroranschläge gezeigt. „Nie wieder ist heute“, dafür seien alle im Saal verantwortlich.
Die Autorin ist Redakteurin der „Aargauer Zeitung“. Dort ist dieser Beitrag auch zuerst erschienen.
Nachtrag: Am Dienstag hat die Stadt Potsdam hat ein für ganz Deutschland geltendes Einreiseverbot gegen den österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner verhängt: