Seine letzte Glanzzeit erlebt hat das jüngst an die Leonis Immobilien AG verkaufte Schloss Salenstein im Bezirk Kreuzlingen vor mehr als einem halben Jahrhundert: Der englische Unternehmer Norman Friedrich Budgeon hatte das hoch über dem Untersee märchenhaft gelegene Schloss im Jahr 1959 erworben.

Der exzentrische Engländer, am Untersee oft „der Lord“ genannt, gab während seiner 20 Jahre auf Salenstein rauschende Feste, abends ließ er die Fenster des Schlosses oft hell erleuchten. Der unweit des Schlosses gelegene Gasthof Hirschen und seine Wirtsleute, Peter Imhof und seine schwäbische Mutter, wurden quasi zu „Hoflieferanten“ ernannt: Hatte der Schlossherr Gäste zum Essen eingeladen, fuhr die Hirschen-Mannschaft köstliche Büfetts und die berühmte „Seeforelle im Kräuterrock“ auf.

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Nach dem Verkauf im Jahr 1979 an den Winterthurer Immobilienunternehmer Bruno Stefanini fiel das Anwesen des Schlosses allerdings in einen Dornröschenschlaf. Nach Jahrzehnten des Leerstands zeigt das historische Wahrzeichen der Gemeinde nun deutliche Zeichen der Verwahrlosung. Seit 1980 gehörte das mehr als 800 Jahre alte Gemäuer zum Vermögen der Kunst- und Kulturstiftung des Kunstsammlers Stefanini. Dass es danach so lange vernachlässigt wurde, hatte ironischerweise mit Stefaninis Sammelleidenschaft zu tun.

Der 2018 gestorbene Immobilienkönig hatte im Laufe seines Lebens eine gewaltige Kunstsammlung aufgebaut, zu der neben vier teils vorbildlich restaurierten Schlössern Werke von Ferdinand Hodler, Albert Anker, Giovanni Giacometti, Giovanni Segantini und Felix Valloton zählen. Auch historische Kuriosa sammelte Stefanini: Ihm gehörten das mutmaßliche Sterbebett und das Testament Napoleons I., ein Sonnenschirm der Kaiserin Sisi, Greta Garbos Rolls Royce und der Tresor von Albert Einstein.

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Manches davon wollte Bruno Stefanini in den 1980er-Jahren in ein Museum einbringen, das im Schloss Salenstein eröffnet werden sollte. Dazu hätte jedoch unter anderem im Dorf ein größerer Parkplatz angelegt werden sollen. Einflussreiche Anwohner wie die Kammersängerin Anneliese Rothenberger fürchteten um die Ruhe. Der Gemeinderat lehnte das Projekt ab.

„Seither spielt Herr Stefanini mit uns ein Katz-und-Maus-Spiel. Er lässt das Schloss zerfallen und versucht, uns damit immer wieder unter Druck zu setzen“, zitierte die „Thurgauer Zeitung“ in einem Bericht im Jahr 2009 den damaligen Salensteiner Gemeindeammann. Nachdem das Verhältnis zur Gemeinde irreparabel belastet war, verweigerte der Schlossherr sogar den kantonalen Denkmalpflegern den Zutritt, die das Gemäuer bauhistorisch erschließen wollten.

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Dabei ist Salenstein eine der interessantesten Schlossanlagen am Untersee: Das Gemäuer geht auf eine Burganlage zurück, die um 1200 von den Schenken von Salenstein, Ministeriale des Klosters Reichenau, erbaut wurde. Mitte des 14. Jahrhunderts gerieten die Landadeligen in wirtschaftliche Probleme.

Die kleine Herrschaft musste verkauft werden und gelangte so in den Besitz reicher Konstanzer Patrizierfamilien, die sich dort einen in Krisenzeiten sicheren Landsitz schufen. Von den Konstanzer Muntprats gingen Burg und Herrschaft an die im Thurgau begüterten Breitenlandenberg über, denen damals auch die Schlösser Hard, Hubberg und Wolfsberg gehörten.

Das Gemälde des Schweizer Malers Johann Jakob Biedermann zeigt Schloss Salenstein, das über dem Untersee mit Blick auf die Reichenau thront.
Das Gemälde des Schweizer Malers Johann Jakob Biedermann zeigt Schloss Salenstein, das über dem Untersee mit Blick auf die Reichenau thront. | Bild: Rosgartenmuseum

Anfang des 19. Jahrhunderts kauften zwei Salensteiner Bürger, der Tierarzt Ulrich Düringer und der Alt-Bürgermeister Gebhard Hutterli, die Liegenschaft, behielten landwirtschaftliche Flächen für sich und gaben die unbewohnte Burg weiter. Zeitweilig waren der napoleonische Oberst Charles Parquin, glückloser Gründer der Nobelherberge Schloss Wolfsberg, und eine von Napoleon geadelte Herzogin von Friaul Bewohner der dann zum wohnlichen Schloss umgestalteten Burg.

Im Jahr 1849 begann im Zuge der touristischen Entdeckung des Bodensees eine englische Epoche auch auf Salenstein: Auf Lady Mary Temple folgte das englische Ehepaar Bruen. Selbst ein Enkel des Philosophen Johann Gottfried Herder, Baron Alexander von Herder, gehört zur Reihe der späteren Eigentümer. Er ließ die Schlossfassade im Stil der englischen Neugotik umgestalten. Mit großer Spannung sehen die Untersee-Anwohner nun auf die anstehende Neubelebung des Schlosses.

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