Staunende und verwunderte Blicke zog am vergangenen Mittwoch ein wahrer Stahlkoloss am Konstanzer Zoll auf sich: Mitten in der Warteschlange bei der Einreise nach Deutschland trohnte das Artilleriesystem RCH 155 AGM des Münchner Rüstungsherstellers Krauss-Maffei Wegmann auf einem Sattelschlepper über allen Fahrzeugen. Später fuhr der Konvoi durch die Konzilsstadt in Richtung Norden.

Das 39 Tonnen schwere und bis zu 100 km/h schnelle Artilleriegeschütz, das Munition vom Kaliber 155 Millimeter bis zu 54 Kilometer weit schießen kann, ist in der Ukraine heiß begehrt. Sie ist eine Weiterentwicklung der bekannt gewordenen Panzerhaubitze 2000. 36 Stück RCH 155 im Wert von 430 Millionen Euro sollen ab nächstem Jahr an das von Russland angegriffene Land geliefert werden. Aber was macht so ein schweres Kriegsgerät aus der neutralen Schweiz kommend mitten in Konstanz?
Rennen um Rüstungsauftrag
Das fragte sich auch der Schweizer Blick und berichtete augenzwinkernd sogar von einem „Eindringen auf Schweizer Hoheitsgebiet“, das allerdings seinen Grund habe. Denn die eidgenössische Armee in Thun im Kanton Bern prüfte das deutsche Modell RCH 155 AGM mehrere Tage lang.
Es ist einer von zwei verbliebenen Kandidaten für die Nachfolge jener 348 amerikanischen M109-Panzerhaubitzen in der Schweiz, die nach 50 Jahren nun in nächster Zeit ersetzt werden sollen. Der große Konkurrent für das deutsche Rüstungsunternehmen ist die schwedische Archer.
Im Rennen um die lukrative Auftragsvergabe könnte eine Neuheit den Ausschlag geben: Als erstes Artilleriegeschütz kann das deutsche Modell RCH 155 AGM auch während der Fahrt schießen. Das dient vor allem dazu, feindlichem Feuer zu entgehen, denn mit modernen Aufklärungsradaren können Stellungen nach dem Abfeuern nahezu in Echtzeit geortet und getroffen werden.
Die deutsche Bundeswehr plant aktuell mit drei Artilleriebataillonen, für die ein Bedarf von 168 Artilleriegeschützen des Modells RCH 155 AGM angemeldet wurde.