In einem Dschungel aus Barbie-Puppen und Accessoires, Vintage-Artikeln und selbstgemachter Kunst wartet Beate Rau jeden Samstag auf ihre Gäste. Ihr Laden mit dem Namen „Think Pink“ sticht schon ein wenig heraus in der Kreuzlinger Sonnenstraße, eine Reihe hinterm Boulevard, vis à vis zur Rückseite der Blue-Bar.
Als sie 2019 das Geschäft eröffnete, wunderten sich wohl viele über das schrille Schaufenster, das eher zu einer Großstadtkulisse passen würde. Ursprünglich wollte Beate Rau mit dem Geschäft den letzten Willen ihrer langjährigen Barbie-Sammelfreundin erfüllen, die damals kurz zuvor verstorben war. Sie hatte ihr gegenüber den Wunsch geäußert, den Leuten doch ihre Schätze zu zeigen.
Ein Museum wäre zu kompliziert geworden, also suchte die in Scherzingen wohnhafte Laborantin nach einem freistehenden Ladenraum in der Nähe. Dass sie als erwachsene Frau mit dem Sammeln von Barbie-Puppen begann, hatte unterschiedliche Beweggründe.
„Was mich schon als Mädchen an Barbie fasziniert hat...“
Als biologisch-technische Assistentin an der Universität Zürich und ausgebildete Ernährungsberaterin liegt die Auseinandersetzung mit den überschlanken, meist in Tüll und Glitzer gehüllten Püppchen nicht auf der Hand. „Was mich schon als Mädchen an Barbie fasziniert hat, war ihre Eigenständigkeit. Sie hatte selbst ein Haus, ein Pferd, ein Auto – unabhängig von Ken“, erzählt Beate Rau bei einem Getränk in der kleinen Sitzlounge im Laden.
Statt mit Baby-Puppen habe sie immer schon mit Barbies gespielt, ihr Großvater war ihr Gönner. Als dann ihre Mutter mal mit einem Karton vom Speicher kam, in dem sie als Erwachsene ihre Barbie-Spielsachen wiederentdeckt hatte, fing Beate Rau schon ein wenig Feuer. Schließlich stieß sie 2009 im Zuge des 50. Geburtstags von Barbie noch auf die Reproduktion ihrer Kindheitsbarbie aus den 1980ern.
Ein Jahr später wunderte sie sich auf einer Florida-Reise, warum dort so viele Menschen mit Barbie-Puppen herumliefen und fand heraus, dass dort jährlich ein Barbie-Kongress stattfand, den sie ab diesem Zeitpunkt selbst regelmäßig mit ihrer „Barbie-Freundin“ besuchte.
Im „Think Pink“ finden sich heute Barbies in Vitrinen aus allen Jahrzehnten. An ihrem Äußeren und dem Kleidungsstil lässt sich die Mode der Epochen ablesen. „Barbie ist ein Abbild unserer Gesellschaft“, sagt Beate Rau, die Interessierten gerne ihr Wissen über die Geschichte der weltberühmten Puppe weitergibt.
Ein Freiraum, den es zu gestalten und zu bespielen gilt
Ihre persönlichen Schätze, eine Original-Barbie von 1959, sowie eine Bild-Lilli, die eigentliche Vorgängerin der Mattel-Puppe, bewahrt sie bei sich zu Hause auf. „Eine Barbie von 1959 kann schon mal 20.000 Franken kosten. Ich hatte das Glück, eine für 5000 Franken zu bekommen“, sagt die Sammlerin. In ihrem Geschäft unterscheidet sie zwischen Play- und Vintage-Barbies, also durchaus bezahlbaren Spielpuppen und Sammelstücken, die eher fürs Auge sind.
Heute ist ihr Geschäft viel mehr als nur ein Puppengeschäft. Ganz im Sinne des Homo Ludens, dem Menschen, der durch das Spielen seine ihm eigene Persönlichkeit entdeckt, finden im „Think Pink“ viele unterschiedliche Menschen zusammen. Zum einen Menschen aus der Sammelszene, die sich freuen, sich außerhalb der digitalen Internetgemeinschaft austauschen zu können.
„Inzwischen ist mein Laden aber auch Anlaufstelle für Menschen aus dem Quartier geworden, die einen Ort suchen, wo sie einfach sie selbst sein können, für einen Moment durchschnaufen und mir ihr Herz ausschütten“, sagt die Inhaberin, die eine große Offenheit allen Menschen gegenüber mitbringt. Sie erlebe hier sehr viel Menschliches. „Think Pink“ sieht sie als Freiraum, den es zu gestalten und zu bespielen gilt.
So hat bei ihr schon mal ein Rapper ein Musikvideo gedreht oder ein Hairstyling für Kinder stattgefunden. Auch für das Abhalten von Kindergeburtstagen und andere Festen stößt man bei Beate Rau auf offene Türen ein. Viele Menschen sähen zu viele Hindernisse, wenn es um die Verwirklichung ihrer Wünsche und Träume gehe. „Ich konzentriere mich auf meine Ideen, nicht darauf, was andere sagen“, sagt Beate Rau.
Judith Schuck ist Reporterin unserer Partnerzeitung „Thurgauer Zeitung“, mit der wir kooperieren.