Papier ist geduldig – für den Plan, die grünen Ausfuhrscheine zu digitaliseren, gilt diese Redensart offenbar ganz besonders. Seit 2014 ist ein neues System angedacht, mit dem sich Einkaufstouristen aus der Schweiz die Mehrwertsteuer erstatten lassen können. Anfang 2022 hat der Bundestag die Haushaltsmittel für die Einführung des digitalen Ausfuhrscheins freigegeben. Doch wann genau eine App die grünen Formulare tatsächlich ablösen wird, bleibt ungewiss.

Nichts Konkretes zu Zeitplan, Umsetzung und Kosten

„Zum jetzigen Zeitpunkt können noch keine genauen Aussagen zum Zeitplan und zur Entwicklung der App getroffen werden“, heißt es auf Nachfrage aus der Generalzolldirektion Bonn. Sie ist gemeinsam mit dem IT-Dienstleister der Bundesfinanzverwaltung, dem ITZ-Bund, an der Entwicklung der App beteiligt.

Das Projekt befinde sich gerade in der Abstimmungsphase, heißt es weiter. Erst danach könne mit der Vorbereitung und der eigentlichen Programmierung der App begonnen werden. Hierfür werde man sich eventuell zusätzlich externe Entwickler mit ins Boot holen. Aber auch das ist laut Generalzolldirektion „noch nicht geklärt“.

Die Kosten für Planung, Entwicklung und Betrieb der Anwendung wurden zuletzt auf 25 bis 32 Millionen Euro geschätzt. Sie könnte noch einmal überarbeitet werden, sobald die konkreten Rahmenbedingungen geklärt seien, teilt die Generalzolldirektion mit.

Zöllner müssen weiter stempeln

Und so bleibt vorerst alles beim Alten: Schweizer, die in Deutschland für mindestens 50 Euro einkaufen, können sich die Mehrwertsteuer erstatten lassen. Dafür erhalten sie in den Geschäften ein Formular mit Endbetrag, Steuersatz und Datum darauf: den Ausfuhrschein. Diesen müssen die Einkaufstouristen am Zoll abstempeln lassen. Bei ihrem nächsten Einkauf bekommen sie dann die Mehrwertsteuer zurück.

Ein Zöllner stempelt in einer Zoll-Abfertigungstelle einen Ausfuhrschein ab. Oft bilden sich wegen der Ausfuhrscheine an der ...
Ein Zöllner stempelt in einer Zoll-Abfertigungstelle einen Ausfuhrschein ab. Oft bilden sich wegen der Ausfuhrscheine an der deutsch-schweizerischen Grenze lange Staus. | Bild: Felix Kästle, dpa

Dabei drängen Politiker und Einzelhandelsvertreter aus der Grenzregion darauf, dass ein elektronisches System eingeführt wird, mit dem Einzelhändler und Zöllner entlastet werden. So berichtet der Konstanzer Bundestagsabgeordenete Andreas Jung (CDU), er habe mit seinen Parlamentskollegen Felix Schreiner aus Waldshut und Diana Stöcker aus Lörrach beim Bundesfinanzministerium darauf gedrängt, „dass die digitale Zollabfertigung im nichtkommerziellen Reiseverkehr zügig vorangebracht wird und die ‚grüne Zettelwirtschaft‘ dann ein Ende hat“.

Im Februar hatte die FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch noch via Twitter verkündet: „Es kommt endlich wieder Bewegung in den digitalen Ausfuhrschein! Das FDP geführte Finanzministerium geht das lange blockierte Thema nun prioritär an.“

Auf Nachfrage, wo der Prozess denn aktuell stehe, antwortet Jurisch nun deutlich weniger euphorisch: „Nach meinem Verständnis ist die technische Umsetzung nicht ganz banal.“ Immerhin müsse eine digitale Lösung sicher vor Missbrauch sein und Zahlungen in verschiedene Systeme ermöglichen. Genauere Details kann auch sie nicht nennen.

2018/19 wurden laut Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Hochrhein 16 Millionen Ausfuhrscheine im grenznahen Handel ausgestellt. In Zukunft dürfte ihre Zahl etwas geringer ausfallen – aber immer noch hoch. Grund dafür ist die 50-Euro-Bagatellgrenze, die zum 1. Januar 2020 eingeführt wurde.

Laut Schätzungen der IHK liegen 30 Prozent aller grenznahen Einkäufe unterhalb dieser Schwelle. Die Kammer setzt sich dafür ein, dass die Bagatellgrenze wieder gesenkt wird und die Kunden auch bei kleineren Beträgen die Mehrwertsteuer erstattet bekommen, sagt die IHK-Handelsreferentin Lena Häsler. Dies sei in der Diskussion um den digitalen Ausfuhrschein auch ursprünglich festgehalten worden.

Das könnte Sie auch interessieren

Die IHK Bodensee-Hochrhein pocht ebenfalls darauf, dass das System digitalisiert und damit vereinfacht wird. Laut Handelsreferentin Häsler sei die Mehrwertsteuererstattung zwar ein ideales Mittel zur Kundenbindung, doch die Abwicklung sei zu langsam und umständlich.

Die Ausfuhrscheine binden personelle Ressourcen: an der Kasse beim Ausstellen und der Rücknahme der Scheine sowie in der Buchhaltung beim Einlagern. „Der Fachkräftemangel wird durch die Abwicklung verschärft. In manchen Handelsbranchen bleibt aktuell fast jede dritte Stelle unbesetzt“, so Häsler.

Nur für Händler, die geringe Mengen an Ausfuhrkassenzetteln ausstellen, sei es aus Sicht der IHK-Expertin wirtschaftlicher bei der Papierform zu bleiben. Betriebe mit einer größeren Anzahl könnten die Zettel allenfalls weiter als Notlösung dienen, zum Beispiel bei einem Softwareausfall.