Mein größter Wunsch war und ist es, mal in einem Männerchor zu singen. Nicht unbedingt, weil ich endlich meinen Damenbass an den Mann bringen will, sondern wegen der Geschlechtergerechtigkeit. Männerchöre bestehen oftmals zu 100 Prozent aus Männern. Geht gar nicht! Im 19. Jahrhundert mag das okay gewesen sein, aber der moderne Mann und damit auch der Männergesangsverein muss sich den Herausforderungen der Gegenwart stellen. Ausschließlich männliche Mitglieder – das gibt es ja nicht mal mehr in den Vorstands-Etagen deutscher Unternehmen.

Es muss darum gehen, die Macht der Monokultur aufzubrechen. Diversität heißt das Stichwort, und die kann natürlich nicht gegeben sein, wenn in einem Chor ausschließlich Tenöre und Bässe singen – und verstreut vielleicht ein paar Countertenöre.

Dem Ziel ganz nah

Lange Zeit habe ich vor der männlichen Dominanz der Männerchöre kapituliert. Aber nun sehe ich mich meinem Ziel ein wenig näher. Denn es gibt eine tapfere Vorkämpferin. Sie heißt Susann Bräcklein und ist Rechtsanwältin in Berlin. Sie setzt mit ihrem Engagement noch früher an, nämlich bei den Kindern. Das ist gut so, der Kampf um Geschlechtergerechtigkeit kann nicht früh genug beginnen. Dass in Knabenchören wie den Leipziger Thomanern keine Mädchen singen dürfen, hält die Rechstanwältin für einen Verstoß gegen Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes, der die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts verbietet.

Reflexhafter Widerstand

In dem zaghaften Hinweis von Musikfreunden, dass Knabenchöre nun mal per definitionem nur aus Knaben bestehen, sieht sie eine "Gefahr des reflexhaften Widerstandes". Und die ist sicherlich gegeben, wenn jemand wie ein Musikprofessor von der Universität der Künste Berlin die Anwältin darauf hinweist, dass eine Mädchenstimme in einem Knabenchor so wenig zu suchen hat wie eine Klarinette in einem Streichquartett. Ja, wenn das bislang so war, muss man jetzt eben umdenken! Das Argument, Knabenstimmen besäßen einen speziellen, ganz eigenen Klang, wischt Bräcklein mit dem Argument vom Tisch, dieser Unterschied sei nur "subtil" hörbar, mit anderen Worten: eine künstlerische Spitzfindigkeit.

So ist es! Daher fordere ich an dieser Stelle Zugang für Frauen zu Männerchören, außerdem Chancengleichheit für Klarinetten und Trompeten in Streicher-Ensembles. Ach so, Sie meinen, das heißt dann gemischter Chor beziehungsweise Orchester, und das sei bereits die Normalität? Okay, dann kämpfe ich ab jetzt für Frauen auf Männertoiletten.