Rückblick auf letzte Woche. Das Groß-Ereignis im kleinen Reiche der Literatur: die Bekanntgabe jener zwanzig deutschsprachigen Romane, die ins Rennen um den Deutschen Buchpreis gehen. Den Sieger wählt die Jury im Oktober zur Buchmesse Frankfurt. Aus der Schweiz kam gerade ein einziger Autor in die engere Wahl, Tom Zürcher. In der Jury sitzt kein einziger Kopf aus der Schweiz.
Wo bleibt Sibylle Berg?
In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ beklagte jetzt Literaturchefin Julia Encke die Auswahl. Sie vermisste den neuen famosen Roman der Zürcherin Sibylle Berg: „Sibylle Bergs Roman ‚GRM‘ über den Brexit, den Überwachungsstaat, die Gentrifizierung und das zerfallende Europa, für viele schon seit dem Frühjahr Roman des Jahres, fehlt. Kann das wirklich sein?“
Es kann sein, wirklich. Aber vielleicht sind die 20 anderen Romane ja besser als Sibylle Berg? Dem Alphabet folgend, beginnen wir mit Bossong, Nora. Das darf doch nicht wahr sein. In ihrem Roman „Schutzzone“ erzählt Bossong von einer selbstverliebten UN-Mitarbeiterin in Afrika so verliebt in deren Privatprobleme, dass Afrika kaum noch zählt. Wenn dieser Roman etwas verdient, dann die saure Gurke für eurozentristische Bauchnabelschau.
Bärfuss auf Augenhöhe mit Dürrenmatt?
Wo leben wir eigentlich? Wir leben in einem Jahr, in dem der Schweizer Lukas Bärfuss den hoch angesehenen Büchner-Preis erhielt. Die Schweizer Büchner-Preisträger hießen bis dato Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch und Adolf Muschg. Lukas Bärfuss indes hat gerade mal drei Romane auf die Reihe bekommen, einige Essays und Theaterstücke, von denen ein paar nachgespielt werden. Bärfuss hat mit „Koala“ den Selbstmord des eigenen Bruders zum Thema gemacht. Dafür nahm er 2014 freudig den Schweizer Buchpreis entgegen und unterstellte dann 2017 der Jury, sich manipulieren zu lassen. Dieses Wochenende posierte er in der „Süddeutschen Zeitung“ in einer Foto-Serie. Lustig das. Aber muss es gleich der Büchner-Preis sein?
Ja, es deutet sich ein Preisverfall an. In der Wirtschaft ringt die Europäische Zentralbank um Preisstabilität. In der Literatur macht Aufmerksamkeitsökonomie die Preise kaputt.