Eine Gartenlaubenidylle. Eine Frau mit Strohhut liest auf einer von Bäumen eingefassten Bank einem Knaben in Badehose aus einem Buch vor. Schützend wölbt sich Blattwerk über das sommerliche Paar, durchmischt mit weißen Blüten. Hermann Hubers Gemälde entstand 1941, mitten im Zweiten Weltkrieg. Hitler und die Nationalsozialisten hatten die Welt in Brand gesteckt, doch den Schweizer Künstler schien das nicht weiter zu berühren.

Wie reagierte die Kunst auf die wachsende Gefahr, die vom Faschismus ausging? Und: Bedeutete der Zweite Weltkrieg einen Einschnitt, sein Ende einen Neubeginn? Fragen wie diese stellt die Ausstellung „Stunde Null. Kunst von 1933 bis 1955“ im Kunsthaus Zürich. Hubers Gemälde zeigt eine mögliche Haltung von Künstlern: Unbeirrt weitermalen!

Das Ende der Malverbote

Stunde Null: Der Begriff umschreibt das Ende des Zweiten Weltkriegs als Einschnitt, als Möglichkeit für einen globalen Neubeginn auch, nachdem der Faschismus niedergerungen war. In der so genannten Kahlschlagliteratur, für die Günther Eichs Gedicht „Inventur“ ein berühmtes Beispiel ist, war solcher Neubeginn verbunden mit kritischer Selbstbefragung. Die scheint es in der visuellen Kunst weniger gegeben zu haben. Für die meisten Künstler war das Kriegsende schlicht eine Befreiung. Künstlerische Gängelung, Mal- und Ausstellungsverbote gehörten der Vergangenheit an.

Dennoch setzte auf längere Sicht das Kriegsende auch in der Kunst eine Zäsur. Denn nach dem Krieg dominierte für fast zwei Jahrzehnte die Abstraktion. In der Abkehr von einer durch den Faschismus kompromittierten Lebenswirklichkeit war die Abstraktion hochgradig unpolitisch, ein Stück weit eine Flucht. Gleichzeitig war diese Abkehr ihrerseits ein politisches Statement.

Parcours der Kontraste

Rund 70 Kunstwerke versammelt die Schau zu einem Parcours der Kontraste. Denn das Spektrum der Kunst zwischen 1933 und der Mitte der Fünfzigerjahre war breit. Es reichte von sozialkritischer Malerei wie Otto Baumbergers Gemälde „Masse“ über surrealistische Kunst oder Art Brut bis eben zur Abstraktion. Und stets war auch der Rückzug in den sicheren Hafen des Privaten und der Tradition eine Option. Hubers Gartenlaubenidylle tritt seine schöne Temperamalerei „Spinnendes Mädchen“ von 1940 zur Seite.

Im selben Jahr entstand Marc Chagalls Ölbild „Le martyr“ – eine Anklage in der Auseinandersetzung mit den politischen Zeitläufen. In surrealen Szenen eines Pogroms nimmt das Bild die Zerstörung von Chagalls Geburtsstadt Witebsk und die Ermordung des beträchtlichen jüdischen Bevölkerungsanteils der Stadt durch deutsche Einsatzkommandos 1941 vorweg.

Tragödie des Politischen

Oskar Kokoschka schuf seine politische Allegorie „What We Are Fighting for“ 1943 im britischen Exil. Auch die gestische Zeichenhaftigkeit von Alberto Giacomettis surrealem Arm ohne dazugehörigen Leib („La main“, 1947) geht auf ein schockierendes reales Kriegserlebnis zurück. In Jean Dubuffets „Paysage herbeux et terreux“ von 1944 klingt der Terror der Zeit nicht im Motiv, wohl aber im Titel an. Die Tragödie des Politischen leitete den Künstler schließlich zu einer höhnischen Negation des Schönheitsideals der Kunst. Den befreundeten Schriftsteller René Bertelé malt er 1947 in brutalistischer Manier mit einem „Flusskrebs in der Nasenhöhle“, so der Titel. Germaine Richiers vogelartiger „Nachtmensch“ wie ihre menschengestaltige „Kröte“ oder Max von Moos‘ Temperamalerei „Der Vertierte“ zeigen Menschsein auf die Stufe des Animalischen gesunken.

Die bevorzugte Farbe der Abstraktion ist nicht selten Schwarz, Nachhall der existentiellen Verdüsterung durch den Faschismus; so in der École de Paris und beispielsweise bei Pierre Soulages. Auf diesem Hintergrund will Jean-Paul Riopelles buntfarbig-abstraktes Allover in „Composition“ wie ein Signal des Aufbruchs erscheinen. Im selben Jahr – 1951 – setzt Wols‘ Malerei „ohne Titel (le bateau ivre)“ ganz gegenständliche Segel zu trunkener Fahrt.

Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1. Bis 22. September. Öffnungszeiten Di., Fr. bis So. 10-18 Uhr, Mi., Do. bis 20 Uhr. Weitere Informationen im Internet unter: http://www.kunsthaus.ch