Frauen haben deutschlandweit im Kulturbetrieb erheblichen Nachholbedarf. Leitungspositionen sind überwiegend männlich besetzt, die künstlerischen Gagen von Männern sind in manchen Berufszweigen fast doppelt so hoch wie die von Frauen. Vor allem die Grünen, traditionell breit in der Kulturszene verwurzelt, haben sich den Kampf gegen die „Gender Pay Gap“, die Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen und für Geschlechtergerechtigkeit auf die Fahnen und ins Programm geschrieben.

Verdienstlücke wird größer

Aber ausgerechnet in den landeseigenen Kultureinrichtungen des bereits seit 2011 unter grüner Ägide regierten Baden-Württembergs mitsamt grüner Ministerin und Kunststaatssekretärin ist seit 2015 die Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen nicht etwa verschwunden oder geschrumpft, sondern teilweise sogar gewachsen.

Schwarz auf Weiß nachzulesen in der Antwort des zuständigen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf eine Anfrage der Konstanzer Landtagsabgeordneten Nese Erikli (Grüne). Aufgelistet sind die Zahlen aus den beiden Staatstheatern in Karlsruhe und Stuttgart sowie der beiden Landesbühnen Bruchsal und Esslingen und des Landestheaters Reutlingen/Tübingen.

Das könnte Sie auch interessieren

Spitzenreiter der geschlechtsspezifischen Verdienstkluft: das Badische Staatstheater Karlsruhe. Hier sind die Gagen weiblicher Vollzeitkräfte in den künstlerischen Bereichen im Jahr 2020 demnach durchschnittlich um 22,9 Prozent niedriger als die Männer. Damit hat sich die Differenz in den vergangenen Jahren – 2015 waren es noch 18,5 Prozent – um über vier Prozent erhöht.

Zwischenzeitlich klaffte die Lücke sogar noch weiter auf: 2018 verdienten Frauen mit minus 24,4 Prozent fast ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen. Auch am Württembergischen Staatstheater in Stuttgart lag die Gage von Frauen in den Jahren 2015 bis 2019 durchschnittlich zwischen 15 und 16 Prozent unter der von Männern. Erstmals seitdem ist die Verdienstlücke hier im laufenden Jahr mit minus 7,2 Prozent etwas kleiner geworden.

Das Badische Staatstheater in Karlsruhe: Hier ist die Gagendifferenz zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten besonders groß.
Das Badische Staatstheater in Karlsruhe: Hier ist die Gagendifferenz zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten besonders groß. | Bild: Uli Deck/dpa

Wissenschafts- und Kunstministerin Theresia Bauer (Grüne) verweist in ihrer Stellungnahme dagegen vor allem auf eine positive Entwicklung des Frauenanteils insgesamt. Auch in künstlerischen Leitungspositionen, in denen Frauen 2020 mittlerweile mit 48,6 Prozent vertreten sind (2015: 37,2 Prozent). Für die Topebene gilt das freilich nicht: Alle Intendantenpositionen an den Staatstheatern und Landestheatern sind derzeit männlich besetzt.

Bauer sieht Gesprächsbedarf

Das Ministerium verweist darauf, dass die erhobenen Durchschnittswerte bei den Gagen aufgrund verschiedener Tarifverträge und auch der Geschlechterpräferenz für einzelne Berufe, etwa vorwiegend männliche Bühnentechniker – nur mit Vorbehalt bewertet werden könnten. „Sie eignen sich aber, um Entwicklungstendenzen zu erkennen“, heißt es.

Und die kann auch das zuständige Ministerium nicht übersehen: „Mit wenigen Ausnahmen ist die Vergütung von Frauen im Zeitraum 2015 bis 2020 geringer als die der Männer“, heißt es in dem von Bauer unterzeichneten Schreiben. Zwar gebe es in einzelnen Bereichen „bei genauerer Betrachtung nachvollziehbare Erklärungen“. Dennoch müssten Abweichungen von über 20 Prozent „kritisch stimmen, hier besteht Untersuchungs- und Gesprächsbedarf.“

Das könnte Sie auch interessieren

Erikli, forschungspolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion und Mitglied im Wissenschaftsausschuss des Landtags, will hier deutlich mehr Druck machen. „Ich bin froh, dass sich der Frauenanteil in unseren Kultureinrichtungen verbessert hat. Das ist zunächst einmal eine gute Entwicklung“, sagte Erikli. „Beim Verdienst von Frauen an unseren Staatstheatern und Landesbühnen aber muss sich etwas ändern.“ Im Gespräch mit den Einrichtungen sollten daher mögliche Instrumente wie Zielvereinbarungen für eine Bezahlung auf Augenhöhe diskutiert werden, fordert die Konstanzer Landtagsabgeordnete.

Bis zu 45 Prozent weniger

Anlass für Eriklis Anfrage war eine Studie des Deutschen Kulturrats, die sich mit der Situation von Frauen in der Kulturszene beschäftigte und eklatante Verdienstunterschiede aufzeigte. Schauspielerinnen, Kabarettistinnen und Regieassistentinnen verdienten demnach etwa 45 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, Unterhaltungskünstlerinnen und Artistinnen etwa 40 Prozent weniger, Regisseurinnen und Bühnen-, Film-, Kostüm-, und Maskenbildnerinnen etwa 35 Prozent weniger als Männer.

Das könnte Sie auch interessieren

„Männer und Frauen an deutschen Theatern arbeiten zu gleichen Teilen vor und hinter den Bühnen, wenn sie allerdings am Ende des Monats auf ihr Konto schauen, bleibt von der Gleichheit nicht viel übrig“, kritisiert die Konstanzer Abgeordnete. „Aufgrund der alarmierenden Zahlen wollte ich wissen, wie es an unseren Landesbühnen aussieht.“ Mit der ernüchternden Fünf-Jahres-Bilanz an den eigenen Bühnen jedenfalls lässt sich in Sachen Geschlechtergerechtigkeit mit den regierenden Grünen im Land schlecht Staat machen. Erikli fordert: „Wir müssen die Lücke zwischen gleicher Tätigkeit und ungleicher Bezahlung schließen.“

Wo Frauen am wenigsten verdienen

Die größte Differenz zwischen den Gagen von Frauen und Männern als Vollzeitkräfte im künstlerischen Bereich herrscht im laufenden Jahr am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Dort verdienen Frauen mit durchschnittlich 3845 Euro gegenüber 4725 Euro insgesamt 22,9 Prozent weniger als die männlichen Kollegen. 2015 waren es noch 18,5 Prozent weniger. Es folgt die Württembergische Landesbühne Esslingen mit minus 21,5 Prozent (2015: -8,5); das Landestheater Tübingen Reutlingen mit minus 13,8 Prozent (2015: -9,5) und die Württembergischen Staatstheater mit minus 7,2 Prozent (2015: -15,3). Am nächsten kommen die Gagen der Frauen denen ihrer männlichen Kollegen an der Badischen Landesbühne Bruchsal: Dort verdienen Frauen im laufenden Jahr durchschnittlich 3,4 Prozent weniger (2015: -5). (bub)