Genauso muss sich Christo das finale Werk vorgestellt haben, als er 1961 aus seiner Pariser Dachwohnung auf den Triumphbogen blickte, dieses so unveränderlich erscheinende Wahrzeichen der französischen Hauptstadt. Er malte sich das monumentale Gebäude vollständig verhüllt in hellen Stoff aus, damit es sei „wie ein lebendiges Objekt, das im Wind tanzt und das Licht widerspiegelt“, so wollte es der Künstler. „Die Falten werden sich bewegen, die Oberfläche des Monuments sinnlich werden. Die Leute werden Lust bekommen, den Triumphbogen zu berühren.“

60 Jahre nachdem Christo diese Idee entwickelt hat, ist seine Vision Realität geworden. Ab heute bis zum 3. Oktober zeigt sich der Triumphbogen in insgesamt 25.000 Quadratmeter blau-silbrig schimmerndes recycelbares Polypropylen-Gewebe gehüllt. 3000 Meter rote Kordeln halten den Stoff. Christo selbst, der im Mai 2020 im Alter von 84 Jahren gestorben ist, hatte das Projekt seit 2017 vorbereitet, sodass sein Team es nun nach seinen Vorstellungen zur Vollendung bringen konnte.
Und die Beschreibung, die er schon so viele Jahre vor der Umsetzung von dem Projekt machte, erscheint heute erstaunlich zutreffend. Die Verhüllung macht Lust, das Gebäude über der Prachtstraße Champs Élysées und den Stoff, der es umhüllt, zu berühren, zu fassen zu bekommen. Wenn Christo den Blick auf vermeintlich Altbekanntes verändern, erneuern wollte, dann ist ihm das hier gelungen.
Sein Neffe Vladimir Yavachev war es, der die Arbeiten seit einem guten Jahr beaufsichtigt hat. Auf eine Weise handele es sich um eine Hommage an Christo und dessen 2009 verstorbene Frau Jeanne-Claude, die „immer das, was wir für möglich hielten, übertroffen haben“, so Yavachev. Beiden sei es sehr wichtig gewesen, dass ihre Kunst gratis und für alle zugänglich sei.

Das Paar hatte sich 1958 kennengelernt, kurz nachdem der gebürtige Bulgare Christo aus seiner damals kommunistischen Heimat geflohen und nach Frankreich gekommen war. Gemeinsam planten die Künstler zahlreiche spektakuläre Projekte, darunter die Verhüllung des Reichstags in Berlin 1995 und zehn Jahre zuvor jene des Pont Neuf in Paris, der ältesten Brücke der Stadt. Viele Pariser empörte es, das Bauwerk in flatterndes Stoffgewebe gehüllt zu sehen. Was das solle, fragten sie.
Dieses Mal lief es in Paris jedoch ganz anders. Hatte Christo schon seit 1961 die Idee im Kopf, den Triumphbogen zu verhüllen, und fertigte er 1962/1963 bereits Foto-Montagen an, so stellte er die offizielle Anfrage erst 2017. Die Umsetzung verzögerte sich zuerst aufgrund der Rücksicht auf die Turmfalken, die im Frühjahr im Triumphbogen nisten, dann auch aufgrund der Coronavirus-Pandemie.
Aber schließlich ging es ganz schnell. „Wir befinden uns heute in einer anderen Zeit“, begründete das die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die Frankreichs erste Präsidentin werden will. Sie selbst sei ein großer Fan des Künstler-Paars Christo und Jeanne-Claude: „Sie berühren uns, rütteln uns auf, man kann sie lieben oder hassen, sie regen Debatten an und das ist doch, was uns lebendig sein lässt.“

Rund 14 Millionen Euro kostet das gesamte Projekt, das sich ohne öffentliche oder private Gelder, sondern allein aus dem Verkauf von Skizzen, Foto-Montagen und Miniatur-Versionen finanziert. Mehr als 1000 Menschen haben an der Verhüllung des Triumphbogens mitgearbeitet, rund um die Uhr stehen junge Leute bereit, um Passanten das Werk zu erklären und kleine Vierecke aus dem verwendeten Polypropylen-Stoff zu verteilen.
An den drei Wochenenden während der Installation bleibt der Bereich unterhalb des Triumphbogens für den Autoverkehr gesperrt. Somit ermöglicht das Werk noch einen anderen, ungewohnten Blick: den auf den Triumphbogen ohne den befahrenen Verkehrskreisel, wohl einen der verrücktesten Frankreichs.