Mit Heinrich Heidegger stirbt eine der prägenden Persönlichkeiten in Südbaden. Noch im November vergangenen Jahres zelebrierte er eine Messe, dann ließen die Kräfte nach. Der überzeugte Meßkircher starb im Krankenhaus in Sigmaringen kurz vor seinem 93. Geburtstag.
Er brachte die Renovation des Doms von St. Blasien zustande
Heinrich Heidegger war in ganz Südbaden bekannt. Er hätte jetzt ergänzt: Auch in Hohenzollern kennt man mich. Nach der Primiz 1954 arbeitete er als Seelsorger. 20 Jahre allein wirkte er in St. Blasien. Dort war er für die Renovation des klassizistischen Doms verantwortlich, was bei diesem exponierten Bauwerk unzählige Diskussionen bedeutet. 1991 wurde er dort verabschiedet.
Wie die meisten Priester legte auch er im Ruhestand eine erstaunliche Aktivität an den Tag. Er war weiterhin als Seelsorger in seiner Heimatstadt Meßkirch tätig, sprach beim Bildungswerk oder bei Bibelabenden. Regelmäßig suchte er das Heilig-Geist-Spital auf, um nach den Menschen dort zu sehen. Mit einem weißen VW Golf GTI fuhr er vor, stellte das Auto direkt vor dem Heim ab und eilte hinein. Seine Krankenbesuche galten allen, er fragte nicht nach dem Gesangbuch, bevor er klopfte und das nächste Zimmer betrat.
Er war badisch liberal
Das hängt auch damit zusammen, dass der langjährige Dekan ganz in der Tradition eines aufgeklärten Katholizismus stand. Noch aufgewachsen in der Kirche eines Papst Pius XII., hatte er später das II. Vatikanische Konzil erlebt und in seinen Pfarreien auch umgesetzt. Im Gespräch war er undogmatisch, gelegentlich kauzig. Ein Menschenfreund vor dem Herrn.
Heinrich Heidegger war auch ohne den berühmten Nachnamen eine große Persönlichkeit. Seine Verwandtschaft mit dem Philosophen Martin Heidegger sah er auch als lebenslange Aufgabe, der er sich stellte mit der ihm eigenen Kampfeslust. Die Kontroversen um den legendären Onkel – einer der wichtigsten deutschen Denker des 20. Jahrhunderts – verfolgte er aufmerksam. Als Martin Heideggers private Tagebücher herauskamen (Schwarze Hefte), sprang ihm sein Neffe Heinrich zur Seite. „Der Onkel“, wie er ihn nannte, galt ihm als Autorität, die er auch in ihren Schwächen verteidigte.

Der Priester war auch ein Zeitungsleser aus dem Bilderbuch. Keine Ausgabe des SÜDKURIER ging an ihm vorbei. Er las den Meßkircher Lokalteil ebenso genau wie er die politischen Seiten studierte und bei manchem Kommentar die Stirn runzelte. Wenn die katholische Kirche thematisiert wurde, ging er den Artikel zwei Mal durch und machte Randnotizen. Wenn etwas nicht stimmen sollte, konnte der Journalist sicher sein: Heidegger schrieb mit dunkelblauer Tinte einen Brief und korrigierte den Autor. Das geschah aber nie von oben herab, sondern stets wohlwollend. Der Autor dieser Zeilen erhielt manchen Brief aus dem Kontor des Mannes.
Sein Vater Fritz war ein Original
Heinrich Heidegger ist ein Vertreter des Geniewinkels, als den man die Meßkircher Ecke (meistens zu Recht) bezeichnet. Sein Vater Fritz Heidegger arbeitete im Zivilberuf als Sparkassendirektor. In seiner Freizeit las dieser die Entwürfe seines Bruders Martin Korrektur. Er soll zu den wenigen Menschen gehört haben, die Martin Heidegger verstanden haben und seinem dunkel genialischen Stil folgen konnten. Es gibt Gelehrte, die Fritz Heidegger für genauso talentiert halten wie seinen Bruder.
Im Familienkreis genoss der Seelsorger Heidegger ein gutes Ansehen. „Er hatte einen weiten Horizont“, sagt sein Neffe Karl im Gespräch. Er schildert ihn als zugewandt und liebevoll. Die geistige Kapazität des alten Herrn war bis ins hohe Alter enorm. Sein Gedächtnis ließ ihn selten im Stich. Seine frühen Jahre und die für ihn qualvollen Jahre in der Hitlerjugend arbeitete er auf.
In seinem Studierzimmer lag neben theologischen Zeitschriften immer auch die Tageszeitung. Schade, dass er sie nie wieder aufschlagen wird.