Superreiche provozieren die Welt, sie kaufen Wähler mit Millionenschecks, manipulieren die politische Meinungsbildung, fliegen trotz Klimakrise zum Spaß ins All. Sein vertretbares Budget an jährlichem CO2-Ausstoß hat das wohlhabendste Prozent der Weltbevölkerung nach Expertenberechnungen bereits am 10. Januar erschöpft, da ist die letzte Silvesterrakete gerade erst vom Himmel gefallen. Zum Vergleich: Die gesamte Menschheit ist erst am 1. August so weit.

Man möchte annehmen, wer derart ungehemmt seinen Lieblingsbeschäftigungen nachgehen kann, muss ein glückliches Leben führen. Doch weit gefehlt. Superreichtum, sagt der Soziologe und Experte für Vermögenspsychologie, Thomas Druyen, habe nichts mit Zufriedenheit zu tun. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärt er: „Fest steht, dass Superreiche einen deutlich höheren psychotherapeutischen Bedarf haben.“

Die Irrwege der Gutbetuchten

Tatsächlich spricht vieles dafür, den Exzessen von Superreichen wie Tesla-Gründer Elon Musk oder Amazon-Chef Jeff Bezos weniger mit Angst, Neid oder gar Verachtung zu begegnen als mit Mitleid und Verständnis. Nicht etwa, um ihnen zu helfen – an psychologisch geschultem Personal für Gutbetuchte ist ja kein Mangel.

Vielmehr sollten wir Normalsterbliche selbst ein Interesse daran haben, uns der Irrwege jener vermeintlich so viel Glücklicheren und Erfolgreicheren bewusst zu werden. Damit wir nicht falschen Vorbildern folgen, trügerischen Hoffnungen aufsitzen, fatale Entscheidungen treffen.

Für Mitleid mit Superreichen bedarf es nicht viel. Nehmen wir den US-amerikanischen Multimilliardär, Trump-Unterstützer und Vordenker der neuen Rechten, Peter Thiel. Wie viele andere seiner Gehaltsklasse hadert er mit der letzten verbliebenen Schranke seiner Existenz: dem Tod.

Peter Thiel kann sein Geld kaum zählen. Und doch droht im ewige Zwangsarbeit.
Peter Thiel kann sein Geld kaum zählen. Und doch droht im ewige Zwangsarbeit. | Bild: Marco Bello

Da eine App, die diesen Gegner mal eben ausschaltet, noch nicht erfunden ist, will er sich ihm wenigstens gut vorbereitet ausliefern. Nach Eiswasserbad und Frostschutzspritzen soll es für seinen Körper direkt in einen Metalltank gehen, wo er dann bei minus 196 Grad auf den großen Moment wartet: jenen Tag in ferner Zukunft, an dem die Menschheit in der Lage ist, Tote wieder zum Leben zu erwecken.

Die Sache hat einen Haken. Auf einen Multimilliardär nämlich, der seine Zeit damit verbringt, Bedienstete zu befehligen und auf Yachten herumzulungern, wird dann selbst im günstigsten Fall niemand gewartet haben.

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Sollte tatsächlich im Jahr 3000 ein Interesse daran bestehen, bis dahin längst unbekannte Tote ins Leben zurückzuholen, so wohl nur aus einem einzigen Grund: weil man Sklaven benötigt. Wir sehen also unseren vermeintlich vom Glück gesegneten Tech-Visionär auf ewig im Steinbruch arbeiten. Wenn die bis dahin entwickelten technischen Möglichkeiten nicht noch ganz andere Horrorszenarien hervorbringen.

Es verhält sich mit der sogenannten Kryonik wie mit so vielen Zukunftsfantasien superreicher Geschäftsmänner. Darauf trainiert, Grenzen zu verschieben, Gebiete zu erobern, Rekorde zu brechen, fehlt ihnen der Sinn für alles, was nach innen gerichtet ist, aufs Kleine, Kompakte, Konzentrierte. Zum Beispiel auf ein einfaches Fragewort, das in den Augen eines Peter Thiel, Elon Musk oder Jeff Bezos geradezu lächerlich kurz, irrelevant scheinen muss: Wozu?

„Sie haben Ihr Ziel schon erreicht“

Wozu in den Weltraum fliegen, wo man bloß von oben herunterschaut statt von unten herauf? Wozu einen Haufen Geld vermehren, wenn man ohnehin nur zweimal am Tag warm essen kann? Wozu mit Technologien ganze Gesellschaften beherrschen? Sie missverstehen schützende Grenzen als Demütigung, sehen im Mittelmaß Langeweile statt Geborgenheit und verkennen den bloßen Zweck als eigentlichen Sinn.

Die zufriedensten Menschen, sagt Druyen, verdienen etwa zwischen 70.000 und 100.000 Euro. Das ist viel, aber nicht extrem viel. Wer sich dazu zählen darf, ist gut beraten, sich zu entspannen, statt mit faustischem Ehrgeiz auch noch ins All fliegen zu wollen. Denn wäre das Glück ein Navigationsgerät, lautete dessen Auskunft unzweifelhaft: Sie haben ihr Ziel schon erreicht!