Dass der Intendant der Stuttgarter Staatsoper, Viktor Schoner, ein Hip-Hop-Fan ist, dürfte vielleicht den ein oder anderen überraschen. Vor allem die Musik von Max Herre, so bekannte Schoner bei der Vorstellung des neuen Programms, möge er schon seit Jahren, und so hat er den gebürtigen Stuttgarter für die Saison 20/21 als artist in residence an die Stuttgarter Oper eingeladen.
Hier wird Herre gleich das Eröffnungskonzert am 1. Oktober mitgestalten, das unter dem Titel „Denk ich an Deutschland in der Nacht“ das Motto der neuen Spielzeit „Wer ist wir?“ in einer stilübergreifenden Konzeption zwischen U und E aufnimmt.
Anders als sonst haben die Staatstheater Stuttgart das Programm zunächst nur bis Ende Januar 2021 konzipiert. Musiktheateraufführungen finden dabei nur bis Ende Dezember statt, und nicht zuletzt wegen der verordneten Kurzarbeit können in der Oper bis Ende des Jahres statt 68 nur insgesamt 38 Vorstellungen gegeben werden. Coronabedingt fährt man so auf Sicht und behält sich weitere Optionen vor.
Bis dahin musste das Programm den Hygiene- und Abstandsregelungen gemäß neu konzipiert werden, was selbstredend Opfer gefordert hat: Man habe, so Schoner, keine der bestehenden Inszenierungen „vergewaltigen oder coronatauglich verbiegen“ wollen. Was stattdessen geplant wurde, klingt immerhin interessant.

Den Auftakt der Opernsaison markiert am 3. Oktober Mozarts „Zauberflöte“ in einer Übernahme der erfolgreichen Produktion der Komischen Oper Berlin unter der Regie von Barrie Kosky. Dem folgen ein Doppelabend mit Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ und Salvatore Sciarrinos „Luci mie traditrici“, bei dem die Musiker coronaabstandsgerecht ins Bühnenbild integriert werden.
Die dritte Premiere ist eine szenische Version von Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“, zu dem Corinna Harfouch Texte von Elfriede Jelinek beisteuern wird, dem folgt Jules Massenets „Werther“ in einer Inszenierung von Felix Rothenhäusler.
Kurz vor Weihnachten darf sich dann die ganze Familie freuen, wenn Maurice Ravels zauberhafte Märchensuite „L‘Enfant et les sortilèges“ Premiere hat. Was die Zuschauerzahl anbelangt, so dürfen aufgrund der Abstandsregelungen nur etwa ein Viertel bis ein Drittel der regulären Plätze belegt werden, was, so Schoner, „komplexe Saalpläne“ erfordert.
Ein Problem, das er mit dem benachbarten Schauspielhaus teilt, dessen Intendant Burkhard Kosminski die Frage „Welches Jetzt wollen wir leben?“ ins Zentrum seiner Programmplanung stellt. Insgesamt sechs Neuproduktionen, darunter zwei Uraufführungen, stehen dabei bis Ende Januar auf dem Spielplan.
Eröffnet wird die neue Saison 2020/21 am 18. September im Kammertheater mit der Uraufführung von Thomas Melles neuem Stück „Die Lage“, das sich um das brisante Thema Wohnungssuche in einer durchökonomisierten Gesellschaft dreht.
Zwei Tage später wird im Schauspielhaus der von Kosminksi initiierte „Europäische Dramatiker Preis“ an Wajdi Mouawad und der „Europäische Nachwuchsdramatiker Preis“ an Jasmine Lee-Jones verliehen. Schirmherr ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Die Spielzeit im Schauspielhaus startet mit Kosminskis Inszenierung von Dürrenmatts Parabel über Geld und Moral „Der Besuch der alten Dame“, die davon erzählt, wie schnell das Versprechen von Wohlstand für alle eine Stadt korrumpieren kann.
„Der Würgeengel“ ist eine Bühnenadaption von Luis Buñuels surrealem Filmklassiker und handelt von einer eingeschlossenen Gesellschaft, die allmählich die Kontrolle verliert.

Eine Familienproduktion (ab 6 Jahren) dreht sich um den Gerechtigkeitskämpfer Robin Hood, der die Reichen bestiehlt und die Armen beschenkt, während sich Gernot Grünewald in seinem neuen Stück Un/true im Kammertheater mit der Frage nach dem Wahrheitsgehalt wissenschaftlicher Erkenntnisse beschäftigt.
Wem glauben wir was – und wann? Gerade in Corona-Zeiten eine sehr aktuelle Frage. Und dann ist da ja noch – Harald Schmidt! Die nicht nur in Stuttgart immer noch überaus beliebte Lästerzunge wird ihre Show „Echt Schmidt“ auch in der neuen Spielzeit fortsetzen, zum ersten Mal am 30. November. Wer dafür Karten möchte, sollte sich sputen.