Wenn alle Menschen gleich sind, warum sollten einige Vorrechte besitzen? Es gibt Gründe: das Bundesverfassungsgericht hat das Gebot der Gleichbehandlung differenziert und darauf hingewiesen, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Arme, Vernachlässigte, Menschen mit Behinderung und Schwächen sind nicht gleich zu behandeln, sie brauchen mehr, müssen unterstützt, also ungleich behandelt werden.

Am Bodensee sind Mieten rasant gestiegen und Wohnungen knapp. Wenn ein Bürgermeister wie Andreas Osner über 10.000 Euro monatlich verdient und eine Wohnung des Spar- und Bauvereins zugeschanzt bekommt, ohne Wartezeit, ohne vorher Mitglied der Genossenschaft gewesen zu sein, ohne eine Großfamilie zu haben, vorbei an Vereinsgenossen, die seit Jahrzehnten auf eine Wohnung warten, gibt es keine Rechtfertigung dafür. Der Vorgang ist mir bekannt, weil ich selbst Mitglied der Genossenschaft bin. Es ist privilegierte Ungleichbehandlung, aber alle machen mit, auch die Genossen der SPD, er ist einer von ihnen.
Verstehen sie, wie der Oberbürgermeister der Stadt Radolfzell, Martin Staab, unter dessen schlechten Launen acht Jahre lang die Bürgerinnen gelitten haben, nach einem Wahldesaster mit knapp 14 Prozent salopp sagen kann, er gehe jetzt – mit 57 Jahren – in den Ruhestand? Ohne Scham?
Was ist mit dem Fliesenleger, der Verkäuferin mit kaputten Rücken, die gerne in den Vorruhestand würden? Warum bekommen Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung eine Betriebsrente und die in vielen kleinen Betrieben, in ambulanter Pflege, im Hospiz gehen leer aus?
Privilegien haftet etwas Peinliches an, sie zu benennen ist keine Frage des Neids. Aufstieg verleitet zur Korruption, zum Vergessen der großen Themen, von Arm und Reich, von oben und unten. So gibt es in einer demokratischen Gesellschaft keine Rechtfertigung mehr für das Berufsbeamtentum und die entsprechenden Pensionen mit Heilmittelzuwendungen.
Einmal Landtag, immer Landtag?
Warum schweigt dazu die Grüne Partei der Basisdemokratie? Sie ist längst eine privilegierte Regierungspartei geworden. Warum lernt die CDU nichts aus der Krise der Kirche? Weil sie bleibt. Einmal Landtag – immer im Landtag?
Was sollen ausgediente Anwälte in SPD/CDU auch tun? Wo sollen die alle hin? Arbeiten? Taxi fahren. Altenpflegerin werden. Warum nicht.
Bin ich besser? Als ich in der Klinik lag vor 20 Jahren – ich bin kein Privatpatient – fragte mich der Professor, ob ich nicht ein Einzelzimmer wolle, er habe für den Kollegen Professor eines frei. Ich schüttelte den Kopf, schämte mich vor den beiden Zimmernachbarn. Nachts kam er vorbei, der Chefarzt, schob mein Bett eigenhändig in das freie Zimmer. Ich war glücklich und hatte ein schlechtes Gewissen.
Wir dürfen schwach sein, aber die anderen in der Demokratie müssen darüber wachen, dass die Privilegien der Privilegierten nicht überhandnehmen. Dazu gehört das Anprangern von Privilegien, ein Medium, das berichtet: sonst fährt der Laden gegen den Baum.