Die Begrüßung erfolgt mit Handschlag, von Masken keine Spur. Der Kabarettist Matthias Deutschmann hat zur 2G-Pressekonferenz im kleinen Kreis in den Freiburger Humboldtsaal eingeladen. Nach der Kontrolle des Impfnachweises erscheint das Leben im fünften Stock hoch über den Dächern Freiburgs wieder so normal wie vor der Pandemie. Keine Abstandsmarkierungen, kein Desinfektionsgel an den Händen, keine beschlagene Brille.
Matthias Deutschmann erzählt von absurden Auftritten in spärlich besetzten Sälen. Und vom seltsamen Gefühl, seine Zuhörer maskiert zu sehen. „Ich hänge mit meinen Emotionen den Leuten im Gesicht!“ Und wenn keine Reaktion komme, dann sei der Austausch zwischen Künstler und Publikum gestört. Deshalb wird Deutschmann sein Programm zum verschobenen Stadtjubiläum am 29. Dezember im Freiburger Konzerthaus nur für Geimpfte und Genesene veranstalten – für ihn ein Zurück zur Normalität.
Auch für den Hausherrn Johannes Tolle, Geschäftsführer des Ticketportals Reservix, ist das 2G-Modell, das mit der neuen Coronaverordnung nun auch in Baden-Württemberg für Veranstaltungen gewählt werden kann, langfristig der Schlüssel zum Erfolg. „Für Veranstalter ist die größte Bedrohung, Kapazitäten wieder runterfahren zu müssen. Dies ist zwangsläufig der Fall, wenn es Infektionen bei Veranstaltungen gibt. Diese sind aber weitestgehend auszuschließen, wenn alle Besucher geimpft sind.“
Tolle, dessen Firma rund 7000 Veranstalter mit unterschiedlichsten Hygiene-Konzepten betreut, berichtet zwar von einem derzeitigen Zuwachs der Ticketbestellungen. In den Monaten zuvor wurde allerdings nur zurückhaltend gekauft. Das habe neben der langfristigeren Planbarkeit durch 2G auch mit der größeren Sichtbarkeit von Publikum zu tun, beispielsweise durch volle Bundesligastadien.
Dieter Bös von Kokon Entertainment Konstanz bestätigt den positiven Trend. Er ist an diesem Nachmittag nach Freiburg gekommen, weil er den Kabarettabend von Matthias Deutschmann veranstaltet. Der Vorverkauf für bekannte Bands wie Die Toten Hosen am 3. September und Die Ärzte am 10. September 2022 im Bodenseestadion laufe sehr gut. „Für die Topacts sehe ich keine Probleme. Die Frage ist, was aus den weniger bekannten Künstlern wird. Im nächsten Jahr gibt es ein Überangebot an großen Tourneen bekannter Bands. Und das Budget für Konzertkarten ist bei den Fans ja begrenzt.“
Im Klassik- und Theaterbereich sieht es anders aus. Hier gibt es derzeit ein großes Angebot an Veranstaltungen, aber das Publikum ist zurückhaltend. Bei der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz fehlen sogar zwei Drittel des Publikums. Selbst die Open-Air-Konzerte im Sommer waren nicht ausverkauft.
Die Gründe liegen laut Intendantin Insa Pijanka in der Vorsicht des Publikums. Auch die derzeit ausgesetzten Abonnements, die ab Januar wieder aktiviert werden sollen, trügen zur deutlich geringeren Besucherzahl bei. Die 2G-Option wird die Südwestdeutsche Philharmonie allerdings nicht anwenden. „Zum einen sehen wir, dass es Impfdurchbrüche gibt und halten daher eine Abschaffung der Maskenpflicht für derzeit nicht sinnvoll. Zum anderen möchten wir niemanden ausgrenzen. In unseren Konzerten geht es immer um Inklusion.“ Auch müsste die 2G-Regel auch auf Mitarbeiter angewendet werden, was arbeitsrechtlich problematisch ist.
Auf eine schnelle Wiederbelebung des Veranstaltungsbereichs glaubt Pijanka nicht. „Wir müssen mit guter Kommunikation, verstärkten Marketingmaßnahmen und natürlich gutem Programm versuchen, unser Publikum zurückzuholen. Das Geld sitzt auch bei Musikfreunden nicht mehr so locker wir vor der Pandemie. Gerade deshalb ist es für uns wichtig, dass unsere Träger uns unterstützen und unser Etat künftig nicht gekürzt wird.“ Von der Politik wünscht sie sich vor allem langfristige Regelungen.
Im Theater Konstanz liegt der Besucherrückgang nur bei rund 25 Prozent – die Open-Air-Aufführungen von „Viel Lärm um Nichts“ im Sommer auf dem Münsterplatz waren ausverkauft. „Wir arbeiten an unseren drei Spielstätten Theater, Spiegelhalle und Werkstattbühne nach wie vor mit reduziertem Platzangebot, um dem Sicherheitsbedürfnis unseres Publikums entgegen zu kommen“, sagt Mela Breucker, zuständig für Projektleitung, Sponsoring und Fundraising beim Theater. Im Gegensatz zur Südwestdeutschen Philharmonie wurden die Abonnements nicht angetastet. „Hier haben wir sogar leichte Zuwächse“, so Breucker.
Niemanden ausschließen
Bei den Veranstaltungen gibt es eine Pause und Gastronomie – hier darf die Maske abgenommen werden. „Die Maskenpflicht im Theater ist bei unserem disziplinierten Publikum nicht das Problem.“ Ob das Theater zumindest in einzelnen Vorstellungen das 2G-Konzept anwenden wird, ist noch nicht entschieden, aber man möchte in jedem Fall dem grundsätzlichen Bildungsauftrag nachkommen und niemanden ausschließen.
Vor allem freut sich Breucker, dass wieder Schulklassen kommen können. „Das haben wir am meisten vermisst!“ Auch beim Familienstück „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ im Theater erwartet sie eine hohe Nachfrage. „Es ist toll, wieder da zu sein und für unser Publikum spielen zu können.“