Sich künstlerisch über Grenzen jeglicher Art Gedanken zu machen ist wahrlich nichts Neues in Konstanz. Liegt nahe in einer Grenzregion, deren Außenränder mit der Schweiz kein EU-Land berühren. Und es ist auch noch nicht so lange her, dass die Grenze dichtgemacht wurde, weil man meinte, die Corona-Pandemie damit einschüchtern zu können. Die Bilder der Menschen, die sich diesseits und jenseits durch den tatsächlich gezogenen Drahtzaun Küsschen zuwarfen, machten nicht nur bundesweit Furore, sondern tatsächlich: über Grenzen hinweg.

Nicht überraschend also, dass das am Konstanzer Stadttheater neu gegründete „Stadtensemble“ ? aktuell mit 13 „Experten des Alltags“, wie das Programm die theaterspielenden Bürgerinnen und Bürger ausweist ? sich Ödön von Horváths Stück „Hin und Her“ angenommen hat.

Und selbstredend geht es in der Spiegelhalle nicht nur um Staatsgrenzen, wenn der von heute auf morgen staatenlos gewordene Ferdinand Havlicek auch von den „Grenzorganen“ auf der Brücke über dem Grenzfluss wie ein Pingpongball hinüber und herüber geschickt wird. Thomas Bissinger spielt seinen Grenzgänger nicht wie einen bedauernswerten Menschen, der durch sämtliche Raster gefallen ist, sondern als Grenzenausloter, der im Niemandsland zwischen den Schlagbäumen auf die Suche geht nach dem Unsinn, aber auch dem Sinn von Grenzen.

Boris Griener, Christa Barth, Dorothea Jüttner und Stefanie Miedler (v.l.n.r.) in „Hin und her“ am Konstanzer Stadttheater.
Boris Griener, Christa Barth, Dorothea Jüttner und Stefanie Miedler (v.l.n.r.) in „Hin und her“ am Konstanzer Stadttheater. | Bild: PATRICK PFEIFFER Photodesign Konstanz

Die Inszenierung von Regisseurin Anne-Stine Peters nimmt die Posse, wie Horváth sein 1933 geschriebenes Stück kennzeichnete, als Steilvorlage für eigene Ideen des Stadtensembles und kommt damit dem Spirit des Stücks sicher nahe. Die Figurenkonstellation wurde auf einen Kern reduziert, dafür wurden neue Rollen ergänzt, die den auch märchenhaften Traum-Charakter der Vorlage zum Flirren bringen. Da ist eine feenhafte Justitia, schön eingeführt von Tine Wentzel, mit im Spiel, da tauchen allerlei Volk, Fisch und Mond höchstselbst auf der hölzernen Brücke von Bühnen- und Kostümbildner Christian Hofmann auf, der den Spielenden ein glitzerndes Fragment an das weitgehend schwarzgraue Tuch geheftet hat.

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Das mit Abstand platzierte Publikum darf einer Art inszeniertem Brainstorming folgen, das um Assoziationen, Poetisches oder in Bewegung umgesetzte Gedanken kreist. Dabei fällt auf, dass Grenze nicht vor allem als Begrenzung oder Einengung erfahren wird, sondern genauso als Abzirkeln individueller Freiräume und Setzen eigener, von den anderen zu respektierenden Grenzen. Schön auch die Vorstellung von der Grenze als Balanceakt. Dennoch: So anregend solcherart Gedankenkarussell sein kann und auch ist, so geht damit doch ein gewisser Verlust der dramaturgischen Spannung einher.

Schön aber auf jeden Fall, dass es das Generationen übergreifende Projekt gibt. Und das nicht als Alibi-, sondern als feste Einrichtung, die in jeder Spielzeit ein Projekt verwirklichen wird.

Nächste Vorstellungen vom 1. bis 3. Oktober. Informationen: www.theaterkonstanz.de