Herr Wnuk, Ihre Konstanzer Fans haben gehofft, dass Sie an den Bodensee zurückkehren. Jetzt leben Sie zwar wieder an einem See, aber in Bayern. Warum haben Sie Berlin verlassen?
Ich habe zuletzt in Berlin-Friedrichshain gewohnt. Dieser Stadtteil ist geprägt von einer sehr lauten touristischen Kultur, die in vollen Zügen ausgelebt wird. Auf mich wirkt das mittlerweile wie eine Disney-Welt für 20-Jährige, denen Party wichtiger ist als zum Beispiel Sauberkeit. Die Stadtwerke kommen da schon lange nicht mehr hinterher. Mir ist klar, dass das jetzt etwas bieder klingen mag, aber Ordnung und Ruhe im Außen helfen mir, die Ordnung im Inneren aufrechtzuerhalten.
Warum Bayern und nicht Südbaden?
Das hat in erster Linie persönliche Gründe. Ich kenne die Region gut, da ich in München studiert habe. Die Gegend rund um den Starnberger See ist zauberhaft schön – ich habe schon lange nicht mehr so viel Grün gesehen. Außerdem ist Konstanz von hier aus deutlich schneller zu erreichen als von Berlin, da kann ich auch mal eben über Wochenende zum Weinfest fahren.
Werden Sie da nicht ständig um Selfies gebeten?
Doch, aber das weiß ich ja vorher, es ist also eine bewusste Entscheidung. Außerdem kommt es auf diese Weise immer wieder zu unverhofften Begegnungen und schönen Gesprächen.
Zu den Kehrseiten der Prominenz gehören auch Klatsch und Tratsch in den Boulevardmedien. Ärgern Sie sich noch über Gerüchte und Fake News?
Meistens nicht. Es gibt Kollegen, die es sich zu ihrer Pflicht oder vielleicht auch zum Hobby gemacht haben, die Urheber von Falschmeldungen zu verklagen. Vor vielen Jahren habe ich auch noch um mich rum geklagt, aber das kostet bloß Nerven, Zeit und Geld und letztlich bringt es nichts. Ich tue besser daran, diesen Schund zu ignorieren.
Demnächst erscheint ihr viertes Kinderbuch, „Die Hochhauskatze“. Worum geht‘s?
Hauptfigur ist eine Katze, die wie ich als Kind in einem Hochhaus lebt und den Bewohnern hilft, untereinander Kontakte zu knüpfen. Die Adresse Wollmastettersteinerstraße, in dem das Hochhaus steht, ist übrigens aus den Konstanzer Straßen zusammengesetzt, in denen ich als Kind gewohnt habe: Wollmatinger, Litzelstetter und Allensteiner Straße.
Das Buch richtet sich an Kinder zwischen drei und sechs Jahren, die wundervollen zeitlosen Illustrationen stammen von der Zeichnerin Andrea Stegmaier.
Ihre bisherigen Kinderbücher aus der „Kasi Kauz“-Reihe stehen jeweils für bestimmte Werte, es geht unter anderem um Fremdenhass und Selbstakzeptanz. Wofür steht „Die Hochhauskatze“?
Hier geht es vor allem darum, dass die Katze die Menschen miteinander ins Gespräch bringt, etwa eine Familie, die sich am Frühstückstisch anschweigt, oder einen kleinen Flüchtling aus der Ukraine, der Freundschaft mit einem deutschen Jungen schließt.

Woher nehmen Sie die Ideen für die Kinderbücher?
Aus dem Leben. Ich frage mich, woran es in unserer Gesellschaft mangelt und welche Werte wir unseren Kindern vermitteln wollen.
Neben den Kinderbüchern verfassen Sie Romane, Hörbücher und Hörspiele, Theaterstücke und Drehbücher. Wie wichtig ist der kreative Prozess des Schreibens für Sie?
Das ist saisonal abhängig. Zurzeit ist er gar nicht so wichtig, weil ich das Leben in vollen Zügen genieße, doch es ist grundsätzlich ein gutes Gefühl, etwas zu produzieren, das man – wie beispielsweise ein Buch – auch in die Hand nehmen kann. Außerdem kann es natürlich von Vorteil sein, finanziell nicht nur von einer Profession abhängig zu sein.
Mit Kinderbüchern wird man zwar nicht reich, aber sie haben einen unschätzbaren Mehrwert, wie ich erst kürzlich wieder bei einer „Kasi Kauz“-Lesung im Villinger Theater festgestellt habe, als 100 Kinder mucksmäuschenstill die Geschichten auf sich wirken ließen.
Wenn dann anschließend beim Signieren ein Kind erzählt, dass es „Kasi Kauz“ als sein Lieblingsbuch in der Klasse vorgestellt hat, weiß ich, dass ich was richtig gemacht habe.
Wann finden Sie angesichts Ihrer vielen Filmprojekte noch die Zeit zum Schreiben?
Wenn ich Vorbereitung und Reisetage für die Filmerei mit einbeziehe, komme ich auf durchschnittlich 200 Arbeitstage im Jahr, da bleibt genug Zeit.
Selbst namhafte Kolleginnen und Kollegen wären vermutlich froh, wenn sie so viel zu tun hätten.
Das stimmt, die wirtschaftliche Lage unserer Branche hat sich in letzter Zeit sehr zugespitzt, es wird nur noch halb so viel produziert wie im vergangenen Jahr. Viele können nicht mehr von ihrem Beruf leben. Ich habe das Glück, seit vielen Jahren Teil des „Nord Nord Mord“-Ensembles zu sein. Das sorgt für ein gewisses Maß an Planbarkeit.
Wenn die Angebote irgendwann rarer werden, bleibt Ihnen immer noch das Schreiben.
Aber auch für literarische Erzeugnisse braucht man Abnehmer – sei es einen Verlag, der einen Roman veröffentlicht, oder einen Sender, der ein Drehbuch verfilmen lässt. Beim Schreiben geht es auch um das Momentum: wenn man einen Zug angestoßen hat und es wenig Aufwand bedarf, um Menschen für eine Idee zu begeistern. Wie in allen kreativen Berufen wird es schwierig, wenn dieser Zug ins Stocken gerät.
Dann ist es eine echte Herausforderung, den Glauben an sich selbst zu bewahren, Resilienz aufzubauen, Frustrationstoleranz zu entwickeln und die Kraft zu finden, den tonnenschweren Zug wieder in Fahrt zu bringen. Das Leben ist kein Kindergarten.