Wir treffen uns in der Werkstatt, und das passt. Diese drei Frauen aus Oberlauchringen wollen etwas umbauen und neu aufstellen. Der Organismus, an dem sie schrauben und drehen, ist die katholische Kirche. Karin Höhl, Ulrika Schirmaier und Gertrud Bernauer-Eckert sind in dieser Kirche großgeworden. Hier haben sie geheiratet, geweint, gebetet, ihre Kinder taufen lassen. Doch jetzt sehen sie die Zeit gekommen, um etwas zu ändern. Sie fordern Gleichberechtigung in der katholischen Kirche. Bisher eine Männerkirche.
Wunsch nach einer lebendigen Kirche
Oberlauchringen liegt im Kreis Waldshut. 7600 Einwohner und eine Moschee. Die meisten Bürger dort sind freilich katholisch. Karin Höhl und ihr Mann führen einen Steinmetzbetrieb. Man kann dort solide Küchenplatten, einen Grabstein oder Friedhofsschmuck erwerben. Im Betriebshof stapeln sich glänzende und matte Steinplatten, groß wie Garagentore. Quarzit, Marmor, Granit. Man kann hier ein Mausoleum bestellen für die Ewigkeit. Doch darum geht es nicht in unserem Gespräch. Die drei Frauen wollen eine lebendige Kirche, eine, die Zukunft hat und wieder mehr Menschen anzieht. Das ist aktuell und schon seit Jahren nicht der Fall. Mutter Kirche leidet, weil zu wenig Mütter in der Kirche etwas zu sagen haben.
Den Anstoß gaben engagierte Frauen aus Münster/Westfalen. Sie stellten die Initiative Maria 2.0 auf die Beine (siehe Infokasten am Ende des Artikels) – durchaus ein Maximalprogramm. Die Lauchringerinnen speckten es ab und griffen den Kernpunkt heraus: die Gleichberechtigung von Mann und Frau. „Im Grundgesetz ist das doch festgeschrieben. Warum verweigert das die Kirche?,“ fragt Bernauer-Eckert. „Die Lebenswirklichkeit hat sich verändert,“ bemerkt Schirmaier. Die Kirche der Kleriker habe das nur noch nicht registriert.
Frauen wollen nicht länger in den hinteren Reihe stehen
Schon nach wenigen Minuten wird deutlich: Dieses Trio kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Sie haben zusammengerechnet acht Kinder. Sie arbeiten als Kauffrau, Sozialarbeiterin, Verwaltungsangestellte, Religionslehrerin. Sie lieben ihre katholische Kirche. Die wird zwar von Männern regiert mit einem Heiligen Vater an der Spitze. Doch „70 bis 80 Prozent der Arbeit tun wir Frauen“, sagt Bernauer-Eckert. Ein stattlicher Katalog an Tätigkeiten kommt zusammen, wenn die drei aufzählen. Sie wirken als Mesnerin, Kommunionhelferin im Gemeindeteam. Zwei sitzen im Pfarrgemeinderat von St. Verena.
Diese und andere Frauen wollen nicht länger in den hinteren Reihe stehen. Frauen und Männer sollten auch in der katholischen Kirche gleichgestellt werden, sagen sie. Den Hinweis auf das Kirchenrecht akzeptieren sie nicht mehr. „Das Kirchenrecht ist veränderbar“, sagt Ulrika Schirmaier. Es stammt aus dem vorigen Jahrhundert und blockiert statt diese zu entfesseln. Dass auch der Erzbischof in den Kategorien der Kanonistik denkt, macht die Sache nicht einfacher. Bisher fand er keine Zeit für die Aktivistinnen von St. Verena. Es gebe zu viele Initiativen, heißt es aus dem Ordinariat. Die Frauen finden diese Antwort dünn.

Viel Resonanz und Unterstützung
Umso größer war die Resonanz vor Ort. Sie finden Unterstützer und Spender. Bundestagsabgeordnete wie Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) oder Felix Schreiner (CDU, evangelisch) stehen hinter ihnen. Annegret Kramp-Karrenbauer nahm sich eine Stunde Zeit für Maria vom Hochrhein. Auch Ortspfarrer Ulrich Sickinger findet die Aktion in Ordnung, auch wenn er die Petition nicht unterschrieb. Dafür setzten andere ihren Namen unter das Maria-Begehren. 5000 Signaturen sammelten sie und wollen sie dem Bischof übergeben – und nur ihm. Zudem wird ihr Anliegen in viele Gebetsrunden eingebracht; nur im nahen Weilheim bat der Pater, von dem Anliegen Abstand zu nehmen, es spalte die Gemeinde.
Es hagelt auch Kritik, die anzeigt, dass die Weihe von Frauen diese Glaubensgemeinschaft auf eine Probe stellen würde. Sie erhielten anonyme Schreiben, in denen sie auch als „Hexen“ beschimpft wurden. Karin Höhl nimmt das belustigt zur Kenntnis. Zumal ihr Mann, der Steinmetz, voll auf ihrer Seite steht. Er sagt, es sei hohe Zeit, dass die Kirche die Gleichberechtigung umsetzt. Oder, wie es Ulrika Schirmaier umschreibt: „Gott hat sich etwas dabei gedacht, als er Mann und Frau schuf.“
Aus einer ultra-orthodoxen Ecke werden die drei Frauen als Umstürzlerinnen verdächtigt. Das ist ziemlich daneben. Es sind tiefgläubige Christinnen, die voll im Leben stehen mit Kind und Kegel und Katechismus. Denen gaukelt man so schnell nichts vor.
Als das Erzbistum Freiburg seine „Pastoral 2030“ an die Öffentlichkeit brachte, wachten sie auf. In diesem Plan ist von Verwaltung und künftigen Riesengemeinden die Rede. Zu wenig, dachten sie, und beschlossen, etwas zu tun. Selbst ist die Frau, und im Dreierpack gilt das offenbar erst recht.
Maria 2.0
Maria 2.0 wurde im Frühjahr gegründet. Dabei geht es um den freien Zugang von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern und damit die Weihe zur Priesterin. Der Pflichtzölibat soll fallen und der Missbrauch aufgeklärt werden.
Die Online-Petition finden Sie unter: www.kirche-frauen-zukunft.de
„Maria 2.0 ist nahe an den Leuten dran“
Peter Stengele, 69, ist katholischer Theologe und Priester. Er war zuletzt Spiritual im Kloster Hegne. Er sammelt Unterschriften für Maria 2.0.
Herr Stengele, Sie sprechen für eine Solidaritätsinitiative von Priestern und Diakonen, die Maria 2.0 unterstützt. Warum?
Dieser Tage erschien ein interessantes Buch des Theologen David Bogner. Sein Titel „Ihr macht uns die Kirche kaputt …doch wir lassen das nicht zu!“ Ich habe den Eindruck, dass Maria 2.0 aus Menschen besteht, die nicht zulassen wollen, dass unsere Kirche kaputtgeht. Sie sind engagiert für eine lebendige und zukunftsfähige Kirche. Das gefällt mir.
Warum unterstützen Sie als Priester diesen Vorstoß? Er richtet sich doch gegen männliche Vorherrschaft.
Ich frage umgekehrt: Wie kann man es rechtfertigen, dass Männern und Frauen die gleiche Würde zukommt – in der Kirche ihnen aber völlig unterschiedliche Zugangswege zu Ämtern und Diensten gestattet werden? Und das nur aufgrund ihres Geschlechts! Wenn ich von gleicher Würde und von Gleichheit aller spreche, kann ich nicht der Hälfte der Menschheit wesentliche Rechte vorenthalten.
Jesus beruft aber 12 Männer zu seinen engsten Mitarbeitern. Ist das nicht eine Festlegung auf Männer?
Dieses Argument greift nicht. Danach dürften Priester nur aramäisch sprechende Juden sein und Zimmermann-Söhne, es dürfte auch heute nur 12 Bischöfe geben und Frauen würden auch nicht zur Kommunion zugelassen, waren es doch im Abendmahlsaal nur Männer! Nein, Jesus beruft nicht Menschen in seine Nachfolge, weil sie Männer sind, sondern weil sie von Gott und vom Evangelium begeistert sind. Ein Mensch, der zum priesterlicher Dienst berufen ist, „repräsentiert“ nicht das Mann-sein Jesu, sondern die in Christus menschgewordene Liebe Gottes.
Erzbischof Stephan Burger sagt, dass das Kirchenrecht die Weihe von Frauen nicht zulässt.
Das ist der Knackpunkt und auch die Sackgasse, in der jede Erneuerung scheitern muss, wenn sich da nichts fundamental ändert. Das Kirchenrecht stammt aus dem vergangenen Jahrhundert, lange vor dem II. Vatikanischen Konzil. Es zementiert ein System, das am Ende ist: Das System einer absolutistischen Monarchie, in dem Leitung, Gesetzgebung und Rechtsprechung in einer Hand liegen – ein unerträglicher Zustand für das zur Freiheit berufene Gottesvolk.
An der Spitze steht der Papst, ein Monarch. Franziskus macht doch einen sehr umgänglichen Eindruck.
Ich schätze den Papst sehr. Ich bin überzeugt, dass er selbst am Zustand seiner Kirche leidet. Er findet eine betonierte Situation vor und er arbeitet daran, sie aufzubrechen. Aber wir wissen ja auch, wie schwer er es hat in seinem spirituellen und seelsorglichen Bemühen mit dem kurialen Apparat.
Welche Chance geben Sie Maria 2.0 ?
Ich sehe darin eine sympathische Bewegung aus dem Gottesvolk heraus. Maria 2.0 ist nahe an den Leuten dran, das gefällt mir. „Hören, was der Geist den Gemeinden eingibt…“ Ich würde mir wünschen, dass wir alle, besonders auch unsere Bischöfe, diesen biblischen Rat befolgen – ohne Angst und mit ganz viel Vertrauen auf den Heiligen Geist.
Fragen: Uli Fricker