Es gab Anzeichen. Als etwa die erste Garde der Royals am ersten Weihnachtsfeiertag auf dem Weg zur Kirche ihre gewohnte Show ablieferte, lächelte und winkte und die selige Nation beglückte, versteckten sich der Herzog und die Herzogin von Sussex mit ihrem Sohn im Urlaub in der kanadischen Wildnis.
Als Königin Elizabeth II. aus dem opulenten Buckingham-Palast ihre jährliche Weihnachtsansprache ans Fußvolk hielt, standen auf dem Schreibtisch vor ihr Bilder von Thronfolger Prinz Charles und Camilla, von Vorzeige-Enkel Prinz William mit seiner Vorzeige-Ehefrau Herzogin Catherine und den Kindern. Ein Foto von Prinz Harry plus Anhang fehlte.
Man hätte es ahnen können
Es gab noch viel mehr Anzeichen. Die Geburt von Baby Archie hielten die Sussexes zum Leid der Briten so privat wie möglich. Und Herzogin Meghan klagte erst im vergangenen Jahr mit Tränen in den Augen in die Kameras, ihr gehe es nicht gut angesichts des massiven Drucks, der konstanten Aufmerksamkeit, der Attacken der Presse. Sie kritisierte zudem den Anspruch der Royals, immer eine „steife Oberlippe“ zu bewahren, also keine Gefühle zu zeigen.
Ja, die Anzeichen waren da. Dennoch sorgte die Ankündigung von Prinz Harry und Herzogin Meghan am Mittwochabend für einen Paukenschlag in Großbritannien. Die beiden wollten als ranghohe Mitglieder der Königsfamilie zurücktreten. Das gaben sie auf ihrem Instagram-Account bekannt. Stattdessen wollten sie arbeiten, um finanziell unabhängig zu werden. Außerdem planen der Herzog und die Herzogin, ihre Zeit künftig zwischen dem Vereinigten Königreich und Nordamerika aufzuteilen.
Auf der Insel herrscht Verblüffung. Auch die Königsfamilie selbst erfuhr von der Entscheidung offenbar via sozialer Medien.
Queen „am Boden zerstört“
In einem dürren Statement aus dem Palast hieß es noch, man verstehe „ihren Wunsch, einen anderen Weg einzuschlagen“. Es handele sich jedoch um „komplizierte Fragen, deren Klärung Zeit braucht“. Wichtiger als der Inhalt der Erklärung ist, was der Palast unausgesprochen ließ. Royale Insider verrieten, dass in der Königsfamilie große Bestürzung und Enttäuschung herrsche. Elizabeth II. sei „am Boden zerstört“, schrieb der „Daily Telegraph“. „So geht man nicht mit der Queen um“, lautete das Urteil. Der Palast in Aufruhr?
Angeblich wussten die Windsors zwar seit einer Woche von dem Anliegen der beiden, für sich eine neue Rolle zu finden. Doch die endgültige Entscheidung, noch dazu deren Veröffentlichung per Instagram anstatt über den offiziellen Palastkanal, traf alle überraschend. Das Vorgehen kommt einem massiven Vertrauensbruch gleich. Und dieser könnte dem Image der Royals nachhaltig schaden.

Immerhin nährt das britische Königshaus seinen Zauber auch aus der Unnahbarkeit und der Distanz. Das Paar wolle nach eigenen Angaben dieses Jahr eine neue „progressive“ Rolle im Königshaus entwickeln. Wie das mit solch einem radikalen Schritt in der traditionell angestaubten Institution möglich sein soll, dürfte als das Rätsel der Woche gelten. „Sie werden ganz zurücktreten müssen“, befand der ehemalige Königshaus-Korrespondent der BBC, Peter Hunt. „Die progressive Art ist unhaltbar.“
Distanzierung logistischer Albtraum
Bislang ist nicht klar, wie das Arrangement in der Realität aussehen könnte, wie Dickie Arbiter, Ex-Pressesekretär der Queen, zu bedenken gibt. „Es ist ein logistischer Albtraum.“ Wer wird künftig die Sicherheit übernehmen? Und wer bezahlt für den Schutz der Sussexes?
Wer kommt für die Kosten auf, wenn Harry als „Freelance-Prinz“ im Auftrag der Krone auf Reisen geht? Immerhin will das Paar weiterhin „uneingeschränkt“ die Queen unterstützen. Es droht Chaos.Auch die Frage der Finanzen dürfte für Probleme sorgen. Wie wollen die beiden „unabhängig“ Geld verdienen? Bücher schreiben? Vorträge geben? Verarmen müssen sie auf jeden Fall nicht, denn als Mitglieder des Königshauses stehen ihnen bestimmte Einnahmen zu. Harry hat auch viel Geld von seiner 1997 bei einem Autounfall gestorbenen Mutter Diana geerbt. „Sie nehmen erstmal weiter die öffentlichen Gelder, bis sie andere Einkommensquellen finden“, schimpft Graham Smith von der Organisation Republic, die die Monarchie abschaffen will.
Prinz Harry ist nicht der erste „Rückzieher“
Prinz Harry ist mit dem Rückzug von seinen royalen Aufgaben nicht das einzige Mitglied der britischen Royals, das der Familie den Rücken kehrt.
- König Edward VIII.: Schon der Name Wallis Simpson lässt den Buckingham-Palast erschaudern: 1936 wurde König Edward VIII. wenige Monate nach seiner Thronbesteigung zum Abdanken gezwungen, damit er die geschiedene US-Bürgerin heiraten konnte – ein Ereignis, das die britische Nation vor dem Zweiten Weltkrieg erschütterte.
- Herzogin Sarah: Im Mai 2000 lässt sich der zweite Sohn der britischen Königin Elizabeth II., Prinz Andrew, von der Bürgerlichen Sarah „Fergie“ Ferguson scheiden. Die damals 36-Jährige verliert damit den Titel „Ihre Königliche Hoheit“. Sie bleibt aber Herzogin von York.
- Prinzessin Diana: 15 Jahre nach der „Traumhochzeit“ findet die unglückliche Ehe von Prinzessin Diana und Prinz Charles im Juli 1996 ein nüchternes Ende.
Diana ist fortan nicht mehr „Königliche Hoheit“, sondern „Diana, Prinzessin von Wales“ und rein formell nicht mehr Mitglied des Königshauses. Am 31. August 1997 stirbt sie bei einem
Autounfall in Paris. - Prinz Andrew: Prinz Andrew (59) nimmt im November 2019 wegen seiner möglichen Verwicklung in den Epstein-Skandal vorerst keine offiziellen Aufgaben für die Königsfamilie mehr wahr. (dpa)