Lieber Didi Hallervorden,

da haben Sie sich aber was geleistet! Anstatt bei der ARD-Jubiläumsfeier brav Ihren altbekannten Palim-Palim-Sketch (“Ich hätte gern eine Flasche Pommes frites“) abzuspulen, hauen Sie Seitenhiebe gegen Wokeness raus. Und gleich hat die ARD wieder Ärger.

Die hätte es sich eigentlich denken können, dass ein Mann wie Sie nicht nur brav den Pausenclown geben würde. Sie seien ein politischer Mensch, und insofern habe Ihnen politisches Kabarett seit jeher mehr Freude gemacht als die Slapstick-artigen Sketche, für die ich Sie als Kind geliebt habe.

Das erzählten sie auf dem ARD-Gästesofa dem durch den Abend führenden Kai Pflaume und hauten gleich noch eine Spitze gegen heutige Spar-Produktionen raus. Der Ton war also schon gesetzt, als Sie in Häftlingsgarderobe (die böse Wokeness-Polizei) zur Tat schritten.

Aber ist das nun Satire?

Nun darf Satire ziemlich viel, wenn nicht alles. Die Frage ist nur: Was ist daran satirisch, wenn man diskriminierende Titulierungen für Menschen mit schwarzer Hautfarbe oder Nicht-Sesshafte wieder auspackt und darüber klagt, dass man das ja nicht mehr sagen dürfe? Haben Sie sich am Ende darüber lustig gemacht, dass sich Comedians über vermeintliche Sprechverbote mokieren?

Wissen Sie was, ich würde Ihnen das sogar glauben, aber zumindest bei mir kam der Gag nicht an. Und vermutlich noch weniger bei den Betroffenen, die auf die Fortsetzung jahrhundertelanger Diskriminierung einfach keine Lust mehr haben.

Angegraute Atmosphäre bei der Show

Irgendwie muss es einen aber auch nicht wundern. Der Blick auf das Gästesofa sprach Bände: Mancher Gast machte den Eindruck, die 75-jährige Fernsehgeschichte der ARD komplett am eigenen Leib erlitten zu haben. So schön das Wiedersehen mit den in die Jahre gekommenen Stars auch war – man machte sich als Zuschauer doch immer wieder Sorgen, ob deren Gang die Showtreppe hinunter unfallfrei über die Bühne gehen würde.

In dieser angegrauten Atmosphäre muss man sich also nicht wundern über Humor, der aus dem vorigen Jahrhundert zu stammen scheint. Auch Mit-Comedian Jürgen von der Lippe wetterte noch gegen Wokeness. Ein Kritiker schrieb von „öffentlich-rechtlicher Vergreisung aus männlicher Perspektive“. Da könnte etwas dran sein.

Eine Haltung, die einen fit hält

Nichts für ungut, Herr Hallervorden. Gefallen hat mir auf jeden Fall Ihr rebellischer Gestus. Nach dem Motto: Ihr wollt, dass ich meine ollste Kamelle wieder aufwärme für Eure Selbstbeweihräucherungsshow – dann schaut, was Ihr davon habt! Ich schätze, dass genau diese Haltung Sie dauerhaft in Schuss hält.

Das könnte Sie auch interessieren

Ich glaube, Sie waren nach Lebensjahren der Älteste auf dem Sofa, aber Sie machten mit den fittesten Eindruck. Mit 89 Jahren leiten Sie noch drei Theater. Honig im Kopf haben Sie allenfalls im Film! Auch der Rassismus-Vorwurf, der Ihnen gemacht wurde, geht komplett ins Leere, davon bin ich überzeugt. Ich habe also keineswegs vor, Sie als Kindheitsidol zu entsorgen!

In diesem Sinne: Alles Gute! Bleiben Sie gesund!