Herr Biesalski, wenn wir ein gesundes Mittagessen für die Schulkantine kochen müssten, was würden Sie vorschlagen?
Eine gesunde Ernährung muss man eher über die Zeit betrachten, das heißt über Wochen, Monate oder auch Jahre. In der Schulkantine sollten auf einem gesunden Wochenplan Getreideprodukte oder Kartoffeln ebenso wie Gemüse und Salat stehen – am besten eine bunte Mischung aller Lebensmittel, außer natürlich Softdrinks.
Brauchen Kinder andere Nährstoffe als Erwachsene?
Nein. Kinder brauchen während der Kita-Zeit eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralien für das körperliche, besonders aber das Hirnwachstum. Wenn sie das nicht haben, heißt das nicht, dass sie dumm werden, aber dass ihr Potenzial nicht ausgeschöpft wird. Deswegen bin ich ein absoluter Gegner veganer Kindergärten. Das ist ein Experimentieren mit der Entwicklung der Kinder.
Warum essen Kinder lieber Pommes, Pizza und Pasta statt Gemüse?
Viele Kinder empfinden Bitterstoffe – wie in Chicoree und Rosenkohl – als besonders unangenehm. Eltern müssen es akzeptieren, wenn die Kinder das nicht essen möchten. Wenn ich mit Schülern koche, zeige ich ihnen, wie man Gemüse zubereiten kann, dass es schmeckt.
Was zeigen Sie den Kindern?
Zum Beispiel nehme ich Süßkartoffeln, die Provitamin A enthalten und die viele nicht kennen. Sie haben eine schöne Farbe, und man kann daraus auch Pommes machen. Oder man macht Salate und lässt sie erst mal verschiedene Dressings probieren. Mit spielerischen Methoden kann man ihnen auch in der Schule gesunde Ernährung vermitteln.
Doch einzelne Aktionen und Projekte reichen nicht aus, um Kinder langfristig für Gesundes zu begeistern. Was müsste sich ändern an den Schulen?
Wir Ernährungswissenschaftler fordern schon lange, dass Ernährung als Unterrichtsfach an den Schulen eingeführt wird. Ich bin sicher, dann wären Schüler auch eher bereit, sich gesund zu ernähren. Lässt man es einfach so laufen, ist der Weg zu Billigbrötchen und Softdrinks bei Lidl oder Aldi nicht weit. In den meisten Fällen reicht jedoch auch das zur Verfügung gestellte Geld an den Schulen für gesunde Ernährung nicht aus. So sehen wir heute auch immer mehr Kinder, die übergewichtig und gleichzeitig mangelernährt sind. Das heißt, ihnen fehlen wichtige Nährstoffe. Doch endlich – nach zehn Jahren – diskutiert man auf politischer Ebene unsere Forderung nach einer kostenlosen Ernährung in Kitas und Schulen. Es ist ein Unding, wenn Kinder aus ärmeren Familien sich das Schulessen nicht leisten können.
Wie steht es um die Qualität von Schulkantinen in Baden-Württemberg?
Baden-Württemberg hat hier wie so oft die Nase vorn. Es gibt sehr gute Schulkantinen, wo auch die Eltern aktiv mitarbeiten. Doch das ist auch politisch gewollt: Denn wenn die Eltern mitarbeiten, muss dafür schon kein Geld bereit gestellt werden.
Oft wird auch angeführt, dass das Schul-essen zu teuer wird, wenn es qualitativ akzeptabel sein soll. Stimmt das?
Ja, es wird teurer. In Deutschland gibt es dazu keine Untersuchungen, aber in Großbritannien. Diese zeigen, dass eine gesunde Ernährung mehr als doppelt so teuer ist. Billigere Ernährung besteht hauptsächlich aus Kohlenhydraten, wie Kartoffeln, Nudeln und Reis, die satt machen. Tatsächlich ist Deutschland neben der Schweiz und den Niederlanden das einzige Land, das kein spezielles Kinderernährungsprogramm hat.
Fragen: Birgit Hofmann