„Noch ist es fünf Minuten vor zwölf“, warnt Roland Wehrle. Beim Thema Fastnacht wird der Narr ernst. Der Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) sorgt sich um das Brauchtum. „Brandschutzauflagen, datenschutzrechtliche Bestimmungen, Sicherheitskonzepte“ – die bürokratischen Hürden seien in den vergangenen Jahren gewachsen, erzählt er. Und damit eben auch die Kosten, die Zünfte und andere Vereine in der fünften Jahreszeit tragen müssten.

Jürgen Hirsch von der Narrenzunft „Deifel Weib“ in Erolzheim (Kreis Biberach) war sich im vergangenen Jahr sicher: Nie wieder Narrensprung. „Es wurde zu viel. Vorschriften, Vorschriften, Vorschriften!“, sagt der Zunftmeister. 2018 habe das Landratsamt auch erstmals eine Befragung der Anwohner entlang der Umzugsstrecke gefordert – noch mehr Aufwand für die Ehrenamtlichen, klagt Hirsch.

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Mit einem Jahr Abstand stimmte der Vorstand nochmals über den Narrensprung ab. Das Ergebnis fiel fünf zu drei aus – für die Veranstaltung. „Wir kommen nicht dran vorbei“, so Hirsch. Immerhin spüle der alle zwei Jahre organisierte Umzug Geld in die Vereinskasse. Aber ein fader Beigeschmack bleibt: „Das Schlimme ist die Haftbarkeit. Als Veranstalter bist du derjenige, der den Kopf in der Schlinge hat.“ Seien früher Ehrenamtliche für die Sicherheit zuständig gewesen, bezahle die Zunft mittlerweile Sicherheitsleute. „Überall haben wir letztes Jahr Bauzäune aufgestellt. Wie Fort Knox.“

Bei den 68 Zünften in der VSAN wurde in diesem Jahr noch kein Umzug und keine große Veranstaltung abgesagt, wie Wehrle sagt. Damit das so bleibt, hofft der Präsident auf Unterstützung aus der Politik: „Es ist ja das größte und älteste Volksfest, das wir haben.“ Im Mai und Oktober kamen auf Einladung von Innenminister Thomas Strobl (CDU) Vertreter der Zünfte, Ministerien und kommunalen Landesverbände zu einem runden Tisch zusammen – im Frühjahr ist ein weiteres Treffen geplant. Nach Angaben des Innenministeriums warb Strobl dabei für einen pragmatischen Geist bei der Genehmigungserteilung. Bei Umzügen sind Stadtverwaltung beziehungsweise Landratsamt dafür zuständig.

Die Verantwortung sieht Wehrle aber auch bei den Narren. „Manche knallen sich die Köpfe voll oder meinen, Frauen wären Freiwild, und verstecken sich unter der Anonymität der Maske.“ Vergangene Fasnacht wurde in Eppingen bei Heilbronn eine Zuschauerin schwer an den Beinen verbrüht. Ein Teilnehmer, der als Hexe verkleidet war, hatte die 18-Jährige über einen Kessel mit heißem Wasser gehalten.

Die Auflagen seien vor allem seit der Katastrophe von Duisburg gestiegen, sagt Augustin Reichle, Präsident des Alemannischen Narrenrings (ANR). Nach einer Massenpanik auf der Loveparade 2010 starben 21 Menschen. Reichle betont: „Es ist ja ganz klar: Die Sicherheit ist wichtig.“

Linda Vogt, dpa