Der Generalbundesanwalt hat nichts anbrennen lassen. Nur knapp sieben Monate nach der Verhaftung der mutmaßlichen IS-Kämpferin Sarah O. am Flughafen Düsseldorf hat die Karlsruher Strafverfolgungsbehörde Anklage gegen die gebürtige Konstanzerin erhoben.
Mindestens sechs Monate dauerten die Ermittlungen in einem solch komplexen Fall, hatte eine Sprecherin der Behörde noch vor wenigen Monaten gesagt. Nun soll der 21-Jährigen mit deutscher und algerischer Staatsbürgerschaft der Prozess gemacht werden.
Schwere Vorwürfe
Der Vorwurf: Sarah O. sei "hinreichend verdächtig", zwischen 2014 und 2017 an der Terrororganisation IS in Syrien beteiligt gewesen zu sein, zudem habe sie eine "schwere staatsgefährdende Gewalttat" vorbereitet, heißt es in einer Mitteilung des Generalbundesanwalts.
Sarah O. war erst 15 Jahre alt, als sie sich dem IS anschloss und die Schule in Konstanz abbrach. Im Oktober 2013 verließ sie ihre Heimat, ließ sich in Syrien an der Waffe ausbilden – mit einer Kalaschnikow. Nur wenige Monate später heiratete sie nach islamischem Recht den IS-Kämpfer Ismail S.
Eingliederung in IS-Strukturen
"Spätestens ab diesem Zeitpunkt gliederte sich die Angeschuldigte in die Entscheidungs- und Befehlsstruktur" des IS ein, heißt es in der Anklage. Ab Februar 2014 soll sie demnach Wach- und Polizeidienste der IS-Gebiete übernommen haben. Zudem warb Sarah O. über Facebook und YouTube aktiv um Mitstreiterinnen und rief dazu auf, sich am sogenannten "Heiligen Krieg" zu beteiligen.
Für ihre Dienste bekam Sarah O. gemeinsam mit Ismail S. ein monatliches Gehalt von 118 US-Dollar, so die Karlsruher Behörde. Das Paar lebte ab Januar 2014 in zwei verschiedenen Wohnungen im syrischen Jarabulus – vom IS eingenommene Häuser, deren Eigentümer "getötet oder vertrieben" worden waren.
Sklaven für den Haushalt
Von September 2015 bis Oktober 2017 sollen Sarah O. und Ismail S. ein Mädchen und zwei Frauen jesidischen Glaubens als Sklaven gehalten haben, die sich um die drei Kinder des Paars kümmern und den Haushalt führen sollten.
Mit beginnender Zurückdrängung des IS Ende 2017 flüchtete Sarah O. mit ihren Kindern über die türkisch-syrische Grenze, wo sie von türkischen Sicherheitskräften aufgegriffen und schließlich am 21. September des vergangenen Jahres an Deutschland ausgeliefert wurde.
Schwiegerelten mitangeklagt
Ebenfalls angeklagt sind die Eltern von Sarah O.'s Ehemann Ismail S. – Ahmet und Perihan S. Diese lieferten unter anderem Magazine für Sturmgewehre nach Jarabulus. Im Dezember 2013 wurde Perihan S. mit 183 Magazinen für Kalaschnikows sowie 31 Pistolenmagazinen am Flughafen Köln/Bonn festgenommen.
Im selben Monat hatte sie etwa 97 Magazine bis in die Türkei geschmuggelt, diese wurden aber am Flughafen Gaziantep sichergestellt. Im April hatte Vater Ahmet ebenfalls vergeblich versucht, Waffenzubehör nach Syrien zu schmuggeln. Sowohl Ismail S. als auch dessen Bruder, der gesondert verfolgte Emre Yunus S., erhielten insgesamt mehr als 24 000 Euro von den Eltern. Diese befinden sich trotz Anklage auf freiem Fuß.
Über 1000 Islamisten aus Deutschland
Das Bundesinnenministerium hatte dem SÜDKURIER im Februar auf Anfrage mitgeteilt, dass seit 2013 mehr als 1050 deutsche Islamisten in Richtung Syrien oder den Irak ausgereist seien. Etwa 300 davon sind demnach inzwischen wieder in Deutschland, 200 weitere sind ums Leben gekommen.
Bei 100 der Islamisten ist der Verbleib ungeklärt. Zu etwa 100 der Zurückgekehrten liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse vor, dass diese aktiv an Kämpfen in Syrien oder dem Irak beteiligt waren oder eine dafür geeignete Ausbildung absolviert hatten. Sarah O. gehört zu den brisantesten Fällen.