Die drei Musikanten drehen auf. Zwei Akkordeons, ein Cello. Sie geben Innerschweizer Volksweisen zum Besten. Die Darbietung gerät so laut, dass die Gäste im Panoramasaal des Gasthofs „Rössli“ fast schreien müssen, wollen sie einander verstehen.
Der ovale Raum im „Rössli“ in Beckenried, direkt am Vierwaldstätter See, ist gut gefüllt. Geladen hat die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei des Kantons Nidwalden. Thema: das Asylwesen der Schweiz. An dem kühlen Abend kurz vor den Parlamentswahlen am 22. Oktober will der SVP-Kandidat Roland Blättler letzte Zweifler in sein Lager ziehen. Eigentlich muss er keinen der Anwesenden davon überzeugen, dass er in die große Parlamentskammer, den Nationalrat, gehört. „Wir sind alle für die SVP und wählen den Roly“, ruft ein knorriger Rentner und trinkt seinen Süßmost.
Hier in Nidwalden feierte die SVP, die stärkste politische Kraft der wohlhabenden Schweiz und eine der erfolgreichsten rechtspopulistischen Parteien Europas, aufsehenerregende Triumphe. Bei den Nationalratswahlen 2015 häufte der damalige SVP-Kandidat fast 83 Prozent der Stimmen an. Landesweit holte die SVP um Übervater und Milliardär Christoph Blocher damals das beste Ergebnis ihrer Geschichte: 29,4 Prozent.
Allerdings bekamen Blocher und seine Getreuen bei den Wahlen 2019 einen Dämpfer: Sie verloren einige Prozent der Stimmen. Bei den nun anstehenden Parlamentswahlen dürfte die SVP laut Umfragen wieder zulegen. Der Grund: Sie bietet heimelige Wohlfühlstimmung, viele Eidgenossen, nicht nur im „Rössli“, tauchen gerne darin ab.
SVP setzt auf Furcht vor den Fremden
Die Partei beschwört die Neutralität des Landes, macht harte Front gegen die EU. Sie setzt routiniert auf die Furcht vor den Fremden – in der Schweiz leben rund neun Millionen Menschen, davon sind 2,3 Millionen Ausländer. „Die SVP malt Szenarien eines drohenden Wohlstandsverlustes und einsetzender soziale Krisen an die Wand“, sagt der Zeithistoriker Damir Skenderovic. „Sie schürt Abstiegsängste in der Mitte der Gesellschaft.“
Die Musik im „Rössli“ verstummt. An den Tischen sitzen zumeist ergraute Männer. Die „maßlose Zuwanderung“ bringe in fast allen Lebensbereichen nur Unheil, sagt Kandidat Blättler: Wohnungsnot, verstopfte Straßen und Züge, immer höhere Arztkosten, importierte Gewalt und Kriminalität. Blättler sagt: „Es kommen zu viele Leute in die Schweiz und es kommen die Falschen.“ Ein Zuhörer zischt halblaut: „Katastrophe.“ Ein anderer Besucher schimpft: „Da hilft nur noch das Jagdgesetz.“ Was er meint, lässt sich nur erahnen.