Benjamin Strasser ist es gewöhnt, dass man ihn unterschätzt. Der FDP-Bundestagsabgeordnete kam 2017 mit 30 Jahren in den Bundestag. Damit ist er zwar bei Weitem nicht der Jüngste – diesen Rang hat ihm der umstrittene CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor streitig gemacht. Dennoch musste sich auch Strasser im Bundestag zwischen den Alteingesessenen behaupten.
„Es läuft eigentlich wie in einer alten Redensart“, sagt der Ravensburger FDP-Politiker beim Treffen mit dem SÜDKURIER, das im Seegarten in Allensbach stattfindet: „Erst ignorieren sie dich, dann belächeln sie dich und schließlich wirst du ernst genommen“, fasst Strasser die ersten zweieinhalb Jahre seines Bundestagsmandats zusammen.
Kritiker von Seehofer
Mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) liegt er öfter im Clinch. Strasser monierte, Horst Seehofer habe den Innenausschuss während der akuten Krise kaum informiert. In einer Zeit, in der massiv in die Freiheiten der Bürger eingegriffen wurde, als wegen Corona Geschäfte nicht mehr öffnen durften, die Bürger zum Tragen eines Mund-und-Nasen-Schutzes aufgefordert und die Grenzen geschlossen wurden.
Einer Ladung in den Ausschuss sei Seehofer nicht gefolgt, er gab „wichtiger Termine“ an – diese stellten sich laut Strasser als Teilnahme an der Bundespressekonferenz heraus. Tatsächlich belegen Twitter-Meldungen von Ausschussmitgliedern die Abwesenheit des Ministers bei gleichzeitiger PK. „Einige Kollegen haben das dann parallel zur Sitzung auf ihren Handys im Livestream mitverfolgt, um informiert zu sein“, erinnert sich Strasser. Zu einer Herbeizitierung des Ministers kam es wegen der Ablehnung von SPD und CDU/CSU nicht, aber der Minister erschien schließlich.
Zum Grenzchaos während der Infektionsschutzmaßnahmen sagt Strasser, Bundespolizeipräsident Dieter Romann und Innenminister Seehofer hätten seiner Einschätzung nach kein Kommunikationsproblem. Vielmehr stünden sie häufig inhaltlich auf einer Linie.
Zu neuerlichen Grenzschließungen dürfe es aber nicht mehr kommen, so Strasser: „Grenzschließungen dürfen nur das allerletzte Mittel sein, wenn die Situation außer Kontrolle gerät.“ Einen weiteren Lockdown aber verkrafte die deutsche Wirtschaft nicht, mahnt der Innenexperte. „Wir müssen jetzt zu lokalen Maßnahmen greifen, wo immer es nötig ist“, schlägt er stattdessen vor.
Politik auf Bundes-, Kreis- und Gemeindeebene
Von Seehofer, den er immer wieder in die Kritik stellt, lässt sich Strasser nicht beeindrucken: Der 33-Jährige, der in Berg bei Ravensburg aufwuchs, ist Rechtsanwalt. Mit verbalen Attacken kann er offensichtlich umgehen. Über seine politischen Ambitionen sagt er: Er wolle etwas bewegen. Und dafür eckt er dann auch gerne mal an.
Auf Kreisebene hat er sich damit Ansehen erarbeitet, seine Kandidatur für seine Wiederwahl als Kreisvorsitzender in Ravensburg wird nicht angefochten. Strasser ist zudem Mitglied im Gemeinderat in seiner Heimatgemeinde Berg. Doch seine Wiederwahl 2021 in den Bundestag ist noch nicht gesichert. Im Oktober will die FDP die Listenplätze festlegen. Strasser müsste Platz Acht auf der Landesliste bekommen, die FDP die Fünf-Prozent-Hürde überwinden, damit er erneut einziehen kann.
Seine politische Karriere begann er bei den Jungen Liberalen, wo er auch Mitglied des Landesvorstands war. Beim Landtagsabgeordnetenbüro von Ulrich Goll war er als parlamentarischer Berater tätig, bevor er sich selbst um einen Sitz bewarb, den Einzug in den Landtag aber knapp verpasste. Bei der Bundestagswahl 2017 gelang ihm der Sprung in die Bundespolitik.
Innere Sicherheit ist sein Thema
Dort hat sich Strasser den Themen gewidmet, die er schon im Landtag betreute: Während er in Stuttgart als parlamentarischer Berater für den NSU-Untersuchungsausschuss tätig war, widmete er sich in Berlin dem Untersuchungsausschuss Anis Amri, der auf dem Breitscheidplatz im Dezember 2016 einen Anschlag verübt hatte. Als Mitglied des Innenausschusses liegt sein Fokus auf den Sicherheitsbehörden.
Auch deshalb fordert Strasser eine Studie zu Rassismus innerhalb der Polizei. Der Rechtsextremismus sei neben dem Islamismus die größte Gefahr für die innere Sicherheit, sagt der Politiker. Er geht zwar davon aus, dass ein Prozent der Polizeibeamten rechtes Gedankengut in sich trage. „Das ist trotzdem ein Problem, dem wir uns stellen müssen“, fordert er. Dass hier in der Region derartiges Verhalten innerhalb der Polizei toleriert wird, glaubt er aber nicht.
Dass Landesinnenminister Thomas Strobl die aktuelle Ermittlung der Polizei in Stuttgart gutheißt, kann er nicht nachvollziehen. Dort sollen nach dem Gewaltausbruch mehrerer hundert Menschen die Herkunft der Verdächtigen beleuchtet werden, auch wenn diese einen deutschen Pass haben. Die sogenannte „Stammbaumforschung“ steht in der Kritik – auch von Strasser. Er sagt: „Strobl müsste eingreifen.“
Der Korpsgeist der Polizei sei einerseits zwar notwendig, um bei schwierigen Einsätzen aufeinander vertrauen zu können. Andererseits könne er aber bei rassistischen und extremistischen Vorfällen dazu führen, dass nicht reagiert und vertuscht werde. „Deshalb wäre ein unabhängiger Polizeibeauftragter wichtig“, sagt Strasser. Für diesen Vorschlag hat er bislang allerdings auch in seiner Fraktion keine Mehrheit.