Sehr geehrter Herr Özdemir,
ich stelle mir gerade die Augen Ihrer Kumpels vor, wären Sie vor 30 Jahren in dieser Uniform aufgekreuzt. Autsch! Ohne Ihr Umfeld als junger Erwachsener zu kennen, wage ich zu behaupten: Bundeswehr war dort nicht cool. Schon weil diese in den 80ern und 90ern insgesamt wenig angesagt war bei jungen Menschen.
Entweder man machte Zivildienst oder man versuchte, sich als untauglich deklarieren zu lassen, womit bekanntlich die besten Sportler durchkamen. Freiwillig zum Bund gingen eigentlich nur Konservative und Waffenliebhaber. Letzteres Faible war offenbar nur wenigen Männern in der Generation Golf eigen.
Den Tarnfleck jedenfalls hätten Sie nicht mal im Witz oder an Fasnacht übergestreift. Wetten? Auch wenn das Cannabis-Pflänzchen (das einst auf Ihrem Balkon fotografiert wurde) vor diesem Hintergrund kaum aufgefallen wäre.
Waffen – eine Frage der Moral
Dass Sie heute kaum mehr schräge Blicke ernten dürften für Ihre zeitweise Beförderung zum Oberleutnant der Reserve, hat viel mit dem Ukraine-Krieg zu tun. Und ebenso viel mit dem Wandel der Grünen von der Friedens- zur Waffenlieferpartei. Die Harmonie zwischen Ost und West hat sich als Illusion erwiesen, die Fähigkeit zur Selbstverteidigung an Relevanz gewonnen. Und militärische Unterstützung für ein überfallenes Land ist gerade in Ihrer Partei zu einer Frage der Moral geworden.

Angesichts dessen kann es nichts schaden, sich doch selbst mal ein Bild zu machen vom Zustand unserer Armee. Lesen kann man darüber ja gewiss wenig Gutes. Doch was denken eigentlich diejenigen, die sich Tag für Tag mit dem Materialmangel herumschlagen müssen, die Soldaten? Öffentlich äußern sich die dem Staat verpflichteten Bundeswehrangehörigen dazu nur selten. Umso spannender, was Ihnen die Feldjäger in Hannover bei der viertägigen Wehrübung so zu sagen haben.
Nur zwei Minister haben gedient
Diese wird übrigens seit 20 Jahren Politikern angeboten, vor Ihnen ist allerdings noch kein Minister auf den Gedanken gekommen, daran teilzunehmen. Dabei ist das Kabinett Scholz nicht gerade mit viel Militär-Erfahrung ausgestattet. Lediglich Finanzminister Christian Lindner (Major der Reserve) und der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (ehemals Obergefreiter der Reserve) haben gedient.
Das restliche Kabinett muss zwar ebenso Kriegspolitik betreiben, hat aber deutlich mehr Erfahrung mit Katastrophenschutz (Volker Wissing), Pflege (Olaf Scholz) oder dem Umgang mit Behinderten (Robert Habeck).
Die Demokratie, sagen Sie, verteidige sich nicht von selbst. Das ist korrekt. Allerdings auch nicht mit PR-Auftritten in Uniform. Attraktiver wird die Bundeswehr vor allem dadurch, dass endlich das bewilligte Sondervermögen auch ausgegeben wird. Aber das haben Sie als Agrarminister nicht in der Hand.